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■ QuerspalteDutschke und die Schweinepest

Hat denn niemand Mitleid mit den armen Schweinen? Wer nicht gleich abgeschlachtet wird, lebt in den modernen landwirtschaftlichen Betrieben fürwahr ein schweineunwürdiges Leben. Eingepfercht, kaum bewegungsfähig, ohne Aussicht auf ein bißchen Schlamm, Sonne und Glück. Wie ein moderner Hochsicherheitstrakt, mit zweifachem Zaun gegen Wildschweine, mit strengsten Hygienevorschriften und Desinfektionswannen für Lastwagenräder, mutet der größte deutsche Schweinemastbetrieb in der Nähe von Bad Kleinen in Mecklenburg-Vorpommern an, in dem jetzt – die Rache der Schweinegöttin! – die Schweinepest ausbrach. Eine schreckliche Tragödie, jammerte die Betriebschefin in die Fernsehkameras. Sie meinte nur ihre Zahlen, nicht ihre Tiere. Der gesamte Bestand von 62.000 wird „gekeult“ und wandert in den Fleischwolf.

Rudi Dutschke bewies bereits 1968 wesentlich mehr Herz für die beleidigte, erniedrigte, unterdrückte Kreatur. In dem Rowohlt-Bändchen „Rebellion der Studenten“ entwarf er „einen Querschnitt durch den Gesellschaftsbau der Gegenwart“ mit folgender Schichtung:

„a) die sich bekämpfenden Trustmagnaten der verschiedenen Gruppen;

b) kleine Magnaten, Großgrundherren, Stab der wichtigsten Mitarbeiter;

c) freie Berufe, Angestellte, politische Handlanger, Militärs und Professoren, Ingenieure, Bürochefs und Tippfräuleins;

d) Reste der selbständigen Existenzen, Handwerker, Bauern;

e) Proletariat: ,Arbeiteraristokratie‘, Ungelernte, dauernd Erwerbslose, Arme, Alte, Kranke, Arbeitende;

f) das eigentliche Fundament des Elends, auf dem sich dieser Bau erhebt: halb- und ganzkoloniale Territorien;

g) das unbeschreibliche, unausdenkliche Leiden der Tiere, die Tierhölle der menschlichen Gesellschaft.“

Dem gibt es nichts hinzuzufügen. Ute Scheub

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