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■ QuerspalteHintzes Alamo

Dem CDU-Generalsekretär Peter Hintze ist es gelungen, einem im Wahlkampf längst verloren geglaubten Begriff neues Leben einzuhauchen: Mut. Auf dem von Niedersachsen ausgerichteten Staatsakt zum Tag der deutschen Einheit am 3. Oktober soll eine Collage aus der bundesdeutschen Nationalhymne, der ehemaligen Hymne der DDR und dem Schlager „Good bye Johnny“ präsentiert werden. Damit werde ein Staatssymbol „verhunzt“ und ein „Akt der Unwürde“ vollzogen, beklagte Hintze, der offenbar nur die Assoziationskette Staat-Niedersachsen-Schröder wahrnehmen muß, um in Stellung zu gehen. Tatsächlich hat Hintze, um im Soldatenjargon zu sprechen, Eier in der Hose. Es braucht Mut, mit solch einem Nichts an heißer Luft vor die Öffentlichkeit zu treten. Acht Takte einer Musik-Collage sollen den Staat gefährden? Wen könnte Hintze mit einer solch abstrusen Warnung aufschrecken? Die Kriegerwitwe aus Bad Oeynhausen? Die gehört längst zum konservativen Kampfverband.

Dem CDU-General ging es denn auch gar nicht um ein wie auch immer gefährdetes Symbol, Hintzes Angriff diente allein der Stimmung in der Truppe. Schon lange fühlt man sich im Bonner Adenauer-Haus wie in Fort Alamo: umzingelt von übermächtigen Meinungsumfragen, eingekesselt vom massiven gesellschaftlichen Willen zur Veränderung, nur mäßig unterstützt von unfähigen Hilfstruppen. Die CDU- Zentrale steht auf verlorenem Posten. Hintze ritt seine Attacke deshalb nicht wie Clausewitz, sondern wie John Wayne. Es war kein Ausfall, um frühzeitig herauszufinden, wie das Strategiezentrum der gegnerischen Kommandoebene reagiert, oder um die feindlichen Linien für spätere Groß- und Frontalangriffe abzustecken: Die mutlose Truppe sollte aufgerüttelt werden. Gegenspieler Müntefering wehrte den Ausfallversuch denn auch souverän ab. Mit dem Mut der Verzweiflung läßt sich keine Wahl gewinnen. Selbst John Wayne Hintze weiß: Am Schluß wird Alamo dem Erdboden gleichgemacht. Michael Ringel

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