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■ QuerspalteGott schaltet ab

„Höhere Gewalt“ zwinge zum Stopp der Wiederaufbereitung von deutschem Atommüll im Ausland, argumentiert Jürgen Trittin. Alles Gute kommt von oben, auch der Atomausstieg, und deshalb gibt es keinen Schadensersatz. Gott ist gegen Kernkraft, soviel ist sicher, doch sonst nichts mehr.

Keine 100 Tage ist es her, da legte das erste rot-grüne Kabinett der Bundesrepublik den Amtseid ab und sich gleich mit einer höheren Instanz an. Mit der höchsten überhaupt. Jürgen Trittin und 7 seiner 15 Kabinettskollegen verzichteten auf die Formel „So wahr mir Gott helfe“. „Dunkel, Genossen, ist der Weltraum, sehr dunkel“, funkte Juri Gagarin, der erste Mensch im All und in der Schwerelosigkeit, einst nach Moskau. „Warum soll Gott mir helfen? – Der hat mir doch die ganzen Jahre über nicht geholfen“, funkte Jürgen Trittin, der erste Grüne an der Macht, recht bodenlos in die Kameras und fegte die Himmel ganz unpoetisch leer.

Keine drei Monate nach dem Wechsel geht der grüne Ketzer also schon nach Canossa. Und kaum entdeckt Trittin den Himmel, da reklamiert er ihn auch gleich für sich. Denn wenn der veränderte Wählerwille „höhere Gewalt“ ist, wer hat Schröder, Fischer und eben auch Trittin denn dann am 27. September die Mehrheit geschenkt? Für den entschädigungsfreien Atomausstieg hält die rot-grüne Regierungsübernahme selbst als Gottesbeweis her. Not lehrt beten, heißt es, die Not muß groß sein bei Trittin und Co. Na ja, vielleicht liegt ihnen die Gretchenfrage („Wie hast du's mit der Religion?“) auch einfach nicht ganz so wie der Wahlkampf („Wo hast du's Mikrophon?“).

Egal, im Himmel herrscht viel Freude über jeden verlorenen Sohn, der heimfindet. Und selbst Jürgen Trittin weiß seit den Konsensgesprächen wohl, wo Gott wohnt. Er muß trotzdem in der Hölle schmoren. Wie es dort aussieht und wie heiß das Fegefeuer brennt, ist uns Menschenkindern leider verborgen. Eins aber ist sicher: Für Jürgen Trittin heizt der Teufel mit Atomstrom. Robin Alexander

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