■ Querspalte: Die Bartfrage
Gemeingefährliche Fanatiker haben es derzeit nicht leicht, Aufmerksamkeit zu erregen, denn Milošević stiehlt ihnen Sendezeit und Spalten. Unsere allerliebsten Irren lassen, Allah sei Dank, dennoch nicht locker: Jetzt hat die afghanische Taliban-Regierung angekündigt, Sportler zu den Olympischen Spielen in Sydney schicken zu wollen.
Das bringt Schwierigkeiten mit sich: Sollten Athleten aus dem radikalislamischen Staat teilnehmen, werden Sportlerinnen aus aller Welt protestieren, womöglich zum Boykott aufrufen. Denn Frauen dürfen in Afghanistan zwar atmen, aber ansonsten so gut wie nichts – also keinen Sport treiben. Und eigentlich wollte das IOC in Sydney doch ein bißchen auf Feminismus machen, weshalb auch zahlreiche neue Frauenwettbewerbe ins Programm genommen wurden.
Knifflig ist auch die Bartfrage. In Afghanistan muß jeder Mann einen anständigen Gesichtspelz tragen; wer sich ohne erwischen läßt, bekommt den Kopf kahl geschoren und wird öffentlich ausgepeitscht. So dürften die afghanischen Schwimmer ohne Chance sein, denn die internationalen Konkurrenten baden nicht nur ohne Bart, sondern rasieren sich auch sonst supergründlich, um den Körperwiderstand zu verringern und so noch ein paar Hundertstelsekunden herauszuholen.
Die meisten Probleme bekommen die gottesfürchtigen Leibesertüchtiger in den Kampfsportarten. Im Boxring zum Beispiel sind Bärte verboten, und das leuchtet ja auch ein. Schließlich könnte der Bartlose benachteiligt werden, wenn er sich während des Kampfes am Gestrüpp des anderen kitzelt oder kratzt. Zwei Szenarien sind möglich: Afghanistan erklärt den Heiligen Krieg gegen die internationalen Kampfsportverbände. Oder die Taliban erlauben ihren Sportlern, ohne Gesichtspelz zu fighten. Das wiederum könnte Tumulte in der Heimat auslösen, womöglich sogar öffentliche Selbstrasuren. Wie auch immer, Fischer und Scharping werden wieder viel arbeiten müssen. René Martens
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen