■ Querbild: Unterwegs
Berliner Mietshäuser, Signalanlagen, Menschen auf Bahnhöfen, Plattenbauten und Strommasten rasen seitlich am Auge vorbei. Geradeaus: endloses rostfarbenes Schienenband. Veronika Herzberg, seit zwanzig Jahren S-Bahnführerin in Ost-Berlin, fährt ihre tägliche Route und erzählt von ihren Berufserfahrungen. Die S-Bahnfahrten durch Ost-Berlin geben nicht nur Ansichten einer Stadt wieder, in der die Autorin Irmtraud Morgner, der Gabriele Schäfers Film Unterwegs gewidmet ist, die längste Zeit ihres Lebens verbrachte und den größten Teil ihrer Texte schrieb. Sie verdeutlichen auch ein Thema, das die Autorin nie losließ: das Unterwegssein der Menschen. Ihre Figuren unternehmen Weltfahrten, reisen auf der Suche nach emanzipatorischen Gesellschaftssystemen in andere Zeitalter oder sind wie ihre Roman-Protagonistinnen S-Bahnfahrerinnen. So wie Laura in dem 1983 erschienenen Roman Amanda, aus dem im Film vorgelesen wird.
Unterbrochen werden die Fahrtszenen von Gesprächen mit drei Frauen, die sowohl Morgners kleine „Macken“beschreiben – wie ihr verschlossenes Rokoko-Zimmer, in das sie nur Ausgewählte hineinließ – als auch ihre Gefühle von Einsamkeit beim Schreiben oder ihr Zerriebenwerden durch Anpassung und profane tägliche Hausarbeit lebendig werden lassen. Darüber hinaus sind diese Erzählungen zentrale Dokumente der DDR-Frauengeneration. Wenn aber Nahaufnahmen von Schlangen und Eulen die Filmszenen durchkreuzen, versetzt Unterwegs in eine Art Heinz-Sielmann-Stimmung. Unklar bleiben auch fiktive Szenen mit einer durch die Stadt wirbelnden Hexe. Leider erklärt Gabriele Schärer Morgner uns Unkundigen die Rolle der Tiere und Hexen in ihrer Literatur nie. So entsteht streckenweise eine biographische Irrfahrt mit einigen Längen. Uschi Behrendt
Mi, 30. April, 21.15 Uhr, Metropolis, in Anwesenheit der Regisseurin
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