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„Queen Lear“ im Berliner Gorki TheaterDas große Augenzwinkern

Aus König wird Königin: Christian Weises Inszenierung von Shakespears Drama ist so lustig, dass man die Konflikte am Ende nicht mehr ernst nimmt.

Queen Lear (Corinna Harfouch) zwischen ihren garstigen Söhnen Foto: David Baltzer

BERLIN taz | Das ist großes Kino auf großer Leinwand. Halt, nicht ganz: Die Kulissen sehen sehr gemalt aus. Raumschiffe, Stationen auf fernen Sternen. Und irgendwann sieht man unter der Leinwand die Füße der Darsteller, die diese Kulissen betreten und dort live gefilmt werden. Es ist eben doch Theater, die Inszenierung von „Queen Lear“ am Maxim Gorki Theater.

Shakespeares Drama um einen alten König und sein Erbe wurde vom Autorenkollektiv Soeren Voima umgeschrieben, jetzt ist es eine alte Königin, die zwei heuchlerischen Söhnen ihr Reich vermacht; ihre Tochter, das einzig ehrliche Kind, aber verstößt.

Der Regisseur Christian Weise wollte für die Rolle der Queen unbedingt Corinna Harfouch – und, klar, ist sie großartig in der Rolle der erst sehr strengen und in ihrer Machtfülle überheblichen Queen – in eine Art Darth-Vader-Steppmantel gequetscht –, dann in der Bitterkeit der Enttäuschten, von den Söhnen Betrogenen und Herumgestoßenen und endlich im luziden Wahn der einsam Herumirrenden.

Wie passt das jetzt alles in ein Starship-Gewand? Das fragt man sich nach kurzer Zeit nicht mehr. Denn erstens geht es hier (Shakespeare) wie dort (Science-Fiction) um Macht, Dynastien, Eroberungen, Kriege, Ausgestoßene, Intrigen.

Genderdebatten, Cancelculture, Transkulturen

Zweitens ist das Spiel aller in diesem Ensemble so fulminant und ihr Text so intensiv mit satirischen Spitzen durchsetzt, dass man sich doch sehr darauf konzentriert, keinen der sprachlichen Hiebe zu verpassen, die ausgeteilt werden in Richtung Genderdebatten, Cancelculture, Transkulturen. Das ist ein Feuerwerk, das kaum Zeit lässt, über die einzelnen Funken länger nachzudenken.

Christian Weise und Soeren Voima nehmen Shakespeares Drama als Vorlage für ein Stück über eine Umbruchszeit, in der Gewissheiten verloren gehen und alte Legitimierungszusammenhänge nicht mehr funktionieren. Der Clown, der Narr, mit grünen Haaren und Eselsohren, der Queen Lear treu begleitet, reflektiert darüber in einem Monolog, der auch den Veränderungsdruck der Gegenwart umfasst.

Die Termine

Nächste Aufführungen am 5./6. und 19. März

Nicht nur Queen Lear muss erleben, wie das, was sie glaubte als Ordnung zu übergeben, einen Krieg auslöst, nicht allein einen Krieg der enterbten Tochter Cordelia gegen ihre Brüder Renegade Regan und Goneril, sondern auch der Brüder untereinander.

Ähnlich geht es der Gräfin Bossy Gloster, deren Sohn Proud Boy Edmund seine Schwester Sister Eddi anschwärzt und ausbootet. Aram Tafreshian gibt ihn genüsslich als echten Shakespeare-Intriganten, nur haben sich seine Argumente verschoben: Weil er als Mann mit Schwanz jetzt immer der Schwester den Vortritt lassen müsse, sieht er sich zu hinterfotzigen Methoden genötigt.

Voll von Rollen getauschter Geschlechter

Shakespeares Dramen sind voll von Rollen der getauschten Geschlechter. Bei Soeren Voima wird aus dem Grafen Kent, der King Lear als Diener verkleidet ebenso treu wie der Narr folgt, eine sprachlich mehrfach betonte „menstruierende Person“, die nicht Frau genannt werden darf und mit genderfluidem Charme und spitzer Zunge den Gegnern der Königin die Stirn bietet.

Fabian Hagen geht in dieser Rolle mit seinen Worten so biegsam um wie mit seinem Körper. (Dass er erst zwei Tage zuvor diese Rolle übernommen hat, erfuhr man durch eine Ansage zu Beginn und folgt ihm auch dafür mit Bewunderung.)

Es dauert in der Inszenierung, bis das Live-Spiel hinter der Leinwand, auf die es Kameras übertragen, auf der Bühne direkt zu sehen ist. Da ist die Königin schon von beiden Söhnen als alt und lästig abgeschoben worden und begegnet nun Sister Eddi, der von Gräfin Gloster verstoßenen Tochter. Mit ihr wechseln auch Ort und Zeit des Spiels.

Von Svenja Liesau gespielt ist Sister Eddi zu einer weiteren Narren-Figur geworden, eine Art Philosoph unter den Obdachlosen, gewaschen mit den Weisheiten des Überlebens auf der Straße, die Queen Lear schwer berlinernd in die Künste des Abtauchens einweiht. Als Zuschauer ahnt man vor den Beteiligten auf der Bühne, dass ihre Verrücktheiten Tarnung sind.

Ironie war bei Shakespeare die Sache der Narren, die doppeldeutige Sprechweise derer, die sich schützen müssen, solange das Monopol auf Wahrheit bei den Mächtigen liegt. In der Inszenierung von Christian Weise irrlichtert die Ironie durch alles, schon das gemalte Starship-Outfit der Bühne von Julia Oschatz ist eine Ansage des großen Augenzwinkerns, großes Drama wird immer wieder gebrochen und durch die vielen Filter des Populären gejagt.

Das hat Witz und unterhält, aber es schlingert auch etwas ziellos an Debatten der Gegenwart vorbei. Sympathisch zwar, aber nicht sehr erhellend.

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