Putsch in Niger: Die Machtprobe
Nigers Militär verkündet den Sturz von Präsident Bazoum, die Lage im Land bleibt aber unklar. International wird die Freilassung Bazoums gefordert.
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Aber anders als bei ähnlichen Putschen in Nachbarländern in den vergangenen Jahren willigte der Präsident nicht in seinen Sturz ein. Am Donnerstagmorgen hieß es stattdessen einigermaßen kryptisch auf Bazoums Twitter-Konto: „Die hart erkämpften Errungenschaften werden gerettet. Alle Nigrer, die Demokratie und Freiheit lieben, werden dafür sorgen.“
Dabei hatte Putschistensprecher Abdramane deutliche Worte gefunden: „Wir haben beschlossen, das Regime zu beenden.“ Begründet wurde das mit der schlechten wirtschaftlichen Lage sowie der schlechten Regierungsführung. Während zunächst unklar war, ob diese Putschisten tatsächlich das Militär hinter sich haben, klärte am Donnerstag morgen ein von Generalstabschef General Abdou Sidikou Issa unterzeichnetes Schreiben die Lage: Das Militär habe beschlossen, sich der Erklärung der Putschisten anzuschließen. Damit soll eine Spaltung innerhalb der Armee verhindert werden. Militärische Interventionen von außerhalb können zu ungeahnten Konsequenzen und Chaos führen.
Diese Botschaft dürfte sich vor allem an die Regionalorganisation Ecowas (Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft) richten, die sich als Wächterin der Demokratie in der Region begreift. Noch vor der Fernsehübertragung der Putschisten erklärte Nigerias Präsident Bola Tinubu, seit Anfang Juli Ecowas-Vorsitzender: „Nigeria steht fest an Nigers Seite. Wir werden unseren Standpunkt zur Verteidigung und Wahrung der verfassungsmäßigen Ordnung nicht aufgeben oder zurückschrecken.“ Was das genau bedeutete, war allerdings unklar.
Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft soll vermitteln
Es heißt, dass aktuell eine Ecowas-Delegation unter Benins Präsident Patrice Talon in Niamey vermittelt. Denn mit dem Putsch ist Niger bereits das vierte Land Westafrikas seit August 2020, wo das Militär eine gewählte Regierung abgesetzt hat. Das schwächt die stark in der Kritik stehende Ecowas weiter. In Nigeria gibt es seit Langem Unverständnis für Staatsstreiche.
Die Entwicklung in Niger sei auch für Europa und die USA ein Schock, sagt Ulf Laessing, Leiter des Regionalprogramms Sahel der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung mit Sitz in Mali. Niger sollte zum Stabilitätsanker werden, was eine Illusion gewesen sei. Grund dafür ist die Entwicklung im Nachbarland Mali, wo seit dem ersten Putsch von vor knapp drei Jahren das Militär herrscht. Es hat Mali aus der Westbindung herausgelöst – erst musste Frankreichs Antiterrortruppe gehen, jetzt auch die UN-Mali-Mission Minusma, an der Deutschland beteiligt ist. Als im vergangenen Jahr immer deutlicher wurde, dass Absprachen bezüglich der deutschen Minusma-Aktivitäten zunehmend schwierig wurden, wurde Niger zum Schwerpunktland der deutschen Zusammenarbeit erklärt.
Die wachsende Präsenz ausländischer Streitkräfte hat in Nigers Bevölkerung zunehmend für Kritik gesorgt, die auch durch Fake News in sozialen Medien geschürt wird. Bereits im vergangenen Jahr gab es Demonstrationen gegen Frankreich. Mitunter wurde befürchtet, dass die ausländische Militärpräsenz Anschläge terroristischer Gruppierungen noch verstärken kann. „Möglicherweise haben die Militärprogramme auch Begehrlichkeiten bei anderen Truppenteilen geweckt“, so Laessing.
Auf Twitter werden am Donnerstagnachmittag Bilder von spontanen Demonstrationen veröffentlicht. Es heißt, dass die Teilnehmenden den Putsch begrüßen. Am Vormittag selbst war es in Niamey allerdings ruhig. Heftige Regenfälle hatten die Stadt vorübergehend lahmgelegt.
Selbst Russland fordert Freilassung
Die Vereinten Nationen haben den Putsch ebenso scharf verurteilt wie Menschenrechtsorganisationen. Die internationale Sprachregelung scheint zu sein, dass man die Freilassung von „Präsident Bazoum“ fordert – damit erkennt man ihn weiter als legitimen Staatschef an. Selbst Russland, wo in Sankt Petersburg derzeit der zweite Russland-Afrika-Gipfel stattfindet, hat diese Forderung erhoben und die „zügige Freilassung“ Bazoums gefordert. Beide Seiten sollen „von der Anwendung von Gewalt absehen und alle strittigen Fragen durch einen friedlichen und konstruktiven Dialog lösen“.
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