Putin und Biden treffen sich in Genf: Putin punktet an der Heimatfront
Russlands Präsident spult sein bekanntes Programm ab. Für die Staatsmedien ist er zurück auf der internationalen Bühne und geht als Sieger vom Platz.
Das Ziel, als gleichwertiger Partner auf internationaler Bühne von Washington anerkannt zu werden, ist seit der Sowjetunion Leitmotiv russischer Außenpolitik. Putin stimmte zu und stand für einige Zeit im Rampenlicht. Das letzte Mal hatte er sich mit dem Präsidenten Tadschikistans am 9. Mai in Moskau öffentlich gezeigt.
Putin genoss die Aufmerksamkeit, er war gut gelaunt und bestens vorbereitet. Nur dreieinhalb Stunden dauerte die Zusammenkunft, bei der der Kremlchef den Gesprächspartner mehrfach lobte.
Für Russlands staatliche Medien ging Wladimir Putin denn auch als Überlegener aus dem Gespräch hervor. Wladimir Putin wich nicht von seiner Linie ab. Den Fall des inhaftierten Oppositionellen, Alexei Nawalny, erklärte er mit den Standardformeln eines vermeintlichen Gesetzesverstoßes.
Nicht verantwortlich
Auch die Ukraine, Syrien und Iran bewegten sich in dem bekannten geopolitischen Kontext, Moskau weist Verantwortung von sich. Weder für russische noch für ausländische Zuschauer brachten die Anmerkungen des russischen Präsidenten etwas Neues.
Es ging um den Austausch unter vier Augen, und dieses Ziel ist aufgegangen. Nebenbei einigten sich beide Seiten noch auf eine Vereinbarung über „strategische Stabilität“ und die Einsetzung einer Arbeitsgruppe zur Cybersicherheit. Überdies wollen beide Länder ihre zurückbeorderten Botschafter wieder auf ihre Posten schicken. Man könne von zwei Staaten keinen „familiären Ton“ erwarten, aber immerhin gäbe es ein „Wetterleuchten“, lachte der Kremlchef.
Putin war aus seiner Anti-Covid-Schleuse vor den Toren Moskaus aufgetaucht und zurück auf der internationalen Bühne. Mehr als zwei Stunden hätten Biden und Putin ohne Diplomaten, Militärs und Assistenten unter vier Augen gesprochen. Das hätte es in den russisch-amerikanischen Beziehungen vorher noch nicht gegeben, frohlockte die Gemeinde kremlnaher Journalisten.
Zufrieden äußerte sich auch der Vizechef des Föderationsrates, Konstantin Kosatschow. Biden habe sich überzeugen können, dass Putin nicht zum Gipfel erschienen sei, um über die Rücknahme von Sanktionen zu verhandeln oder „unter Druck sein Verhalten zu verändern“. Vielmehr gehe es um „wirklich gleichberechtigte Zusammenarbeit“. Das klingt wie eine Beschwörung. Vertretern der russischen Bürokratie fällt es schwer, Minderwertigkeitskomplexe gegenüber den USA zu überwinden oder zu verbergen.
Blick in den Abgrund
Moskau bleibt für Washington „militärisch die Hauptbedrohung“, meint der Leiter des analytischen Zentrums StrategPRO, Alexander Wedrussow. Das dürfe aber nicht die Suche nach Lösungen verhindern. Die Gespräche in Genf seien ein Versuch, die Verschlechterung der Beziehungen aufzuhalten, meinte er in der Iswestija.
Die Politologin Lilja Schewzowa wertet den Gipfel als positiv, weil beide Seiten in den Abgrund geschaut hätten und zurückgewichen seien. „Keiner möchte eine Eskalation.“ Noch immer spielen die USA für Russland die „Rolle eines Gegners und die eines gelegentlichen Partners. Für Moskau ist es erniedrigend, wenn die USA Russland ignorieren.“
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