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Putin und Assad zur Zukunft SyriensFriedensordnung der Sieger

Syriens Präsident Baschar al-Assad und Wladimir Putin treffen sich in Sotschi – und definieren, was eine „politische Lösung“ sein könnte.

Ohne Putins Hilfe sähe die Welt für Assad anders aus Foto: dpa

Kairo taz | Was der syrische Präsident Baschar al-Assad und der russische Präsident Wladimir Putin nach ihrem Treffen im russischen Sotschi zu sagen hatten, klingt zunächst wie ein Schritt zu einer Friedenslösung in Syrien. Die militärische Operation nähere sich nun dem Ende, sagte Putin. „Ich glaube, das Wichtigste ist jetzt, sich zu den politischen Fragen zu bewegen, und ich bemerke mit einer gewissen Befriedigung Ihre Bereitschaft, mit denen zusammenzuarbeiten, die Frieden und eine Lösung in diesem Konflikt sehen wollen“, erklärte Putin gegenüber Assad.

„In diesem Stadium, besonders nachdem wir über die Terroristen einen Sieg errungen haben, ist es in unserem Interesse, den politischen Prozess vorwärtszubringen. Wir glauben, dass die Situation, wie sie im Moment am Boden herrscht, und die politische Lage es uns erlauben, im politischen Prozess Fortschritte zu erwarten“, erklärte Assad. „Wir können auf die Unterstützung Russlands zählen, dafür zu sorgen, dass sich keine Kräfte von außen in den politischen Prozess einmischen“, fügte er hinzu.

Der letzte Satz macht die Widersprüche von Assads Siegerpropaganda deutlich. Denn seine militärischen Erfolge wären ohne die massive Unterstützung Russlands und der vom Iran kontrollierten Hisbollah-Miliz nicht möglich gewesen. Assad kann sich genauso wenig das Etikett syrischer Souveränität anheften wie die Rebellen, die ebenfalls von außen unterstützt wurden.

Sowohl Putin als auch Assad sprachen von einem Sieg über die Terroristen. Es ist die übliche Vermengung, den Überresten des IS in Syrien, der al-Qaida-nahen ehemaligen Al-Nusra-Front und allen anderen Opponenten des Regimes das Etikett „Terroristen“ überzustülpen – und damit alle Gegner des Regimes in Damaskus zu diskreditieren.

Zu viele Rechnungen offen

Was die Frage aufwirft, mit wem da eigentlich noch eine politische Lösung gefunden werden soll? Es ist die politische Lösung der Sieger, die in Syrien durchgesetzt werden soll. Genau deswegen kann sie zwar kurzfristig erfolgreich, langfristig aber sicherlich nicht politisch nachhaltig sein. Zu viele Menschen wollten in Syrien Veränderung, und zu viele haben nach so vielen Toten eine bittere Rechnung mit dem Regime offen. Assad herrscht über ein Gebiet, das er militärisch von all seinen Gegnern gesäubert hat. Die sind deshalb aber nicht von der politischen Landkarte verschwunden.

Die Putin-Assad-Siegerlösung dient auch dazu, die wesentlich breiter aufgestellten, von der UNO gesponserten Genfer Friedensgespräche zu marginalisieren, die Russland und Assad immer sabotiert hatten und die auch deshalb nie zu greifbaren Lösung geführt hatten. Offiziell fordern die USA, Deutschland, Großbritannien, Frankreich und die EU immer noch den Rücktritt Assads, um den Weg für eine politische Lösung in Syrien freizumachen.

Nun gibt es diese Woche gleich an zwei Orten Gespräche über die Zukunft Syriens, die zeigen, dass die internationale Gemeinschaft in der Frage Syriens immer noch zutiefst gespalten ist. In der russischen Schwarzmeerstadt Sotschi finden am Mittwoch Gespräche mit Russland, dem Iran und der Türkei statt. Zwei der vermeintlichen Siegermächte also und eine Türkei, die einst die Rebellen unterstützt hatte und sich jetzt zunehmend den militärischen Realitäten in Syrien beugt.

Am gleichen Tag werden sich in der saudischen Hauptstadt Riad 30 Gruppierungen drei Tage lang treffen, um ein Verhandlungsteam der syrischen Opposition für die Genfer Gespräche zu formen, die am 28. November wieder aufgenommen werden sollen. Führende Oppositionelle haben in den letzten Monaten das bisherige Verhandlungskomitee aus Protest gegen den internationalen Druck verlassen, eine Verhandlungsplattform zu akzeptieren, in der Assad an der Macht bleibt.

Diktat wird dominieren

Damit ist die Genfer Verhandlungs-Schiene ziemlich lahmgelegt. Und so ist es im Moment eher wahrscheinlich, dass die von Russland und dem Iran diktierte Lösung für eine Zukunft Syriens dominieren wird. Ob die allerdings nachhaltig ist, ist mehr als fraglich.

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10 Kommentare

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  • Vielleicht sollte man mal ein anderes Land genauer betrachten: eine monarchische -absolutistische Familienherrschaft am Golf : Aushungern und bombardieren des Jemen mit Charakteristika eines Genoizds- betroffen : tausend Menschen. Die Welt schweigt. Katar: Strangulierender Wirtschaftsboykott mit Androhung des Einmarsches. Bahrain: Unterstützung eines Herrscherhauses gegen die schiitische Mehrheit und Entsendung von Truppen zu Niederschlagen demokratischer Bewegungen. Syrien; Unterstützung von Al Kaida Ablegern und des IS. Im eigen Land: Folter, öffentliche Auspeitschung, Steinigungen, politische Verfolgung - welches Land ist wohl gemeint?

  • Die Logik von Genf (und Wien vorher) lautete immer: Trennung von "Terroristen" und "moderaten Rebellen".

     

    Diese Trennung fand nicht statt.

    Es gab keine Liste mit "Moderaten", die die Wertegemeinschaft unterstützt.

    Weil alle mehr oder weniger eng Waffenbrüder von Al Kaida waren oder noch sind.

     

    Das "Hohe Verhandlungskomitee" ist voll von harten Islamisten, viele mit direkten terroristischen Handlungen.

     

    Oder mit Gruppen, die in Syrien nahezu gar keine Rolle spielen.

     

    Wer waren denn ihre Favoriten aus diesem Kreis für eine friedliche Lösung in Damaskus?

     

    Insofern ist es naheliegend, mit anderen Vertretern Syriens zu sprechen, wie es jetzt in Sotschi versucht wird.

  • Die "Putin-Assad-Siegerlösung" mag dem Westen nicht gefallen, da er traditionell "Verhandlungslösungen" anstrebt, so wie bei Gaddafi und Hussein. Von diesen kann man definitiv sagen, dass sie "zwar kurzfristig erfolgreich, langfristig aber sicherlich nicht politisch nachhaltig" sind. Meiner Meinung nach, sollte es nach den Desastern in diesen zwei Ländern, in Syrien mal mit einer "Siegerlösung" probiert werden. Schlimmer wirds nimmer.

     

    Was man sich von den ach so breit aufgestellten Genfer Gesprächen erhofft, bleibt rätselhaft. Die versammelte Breite hält sich doch gerade in Riad auf, um richtig justiert zu werden. Nach Verhandlungsbereitschaft sieht es dort offensichtlich nicht gerade aus. Beste Voraussetzungen also für eine "Siegerlösung".

    • @markstein:

      Natürlich geht es in Genf für die syrische "Opposition" nur noch um die Kapitulationsbedingungen. Putin ist jedoch klug genug, um de Mistura und seinen Unterhändler Perthes nicht völlig zu desavouieren.

    • 8G
      81622 (Profil gelöscht)
      @markstein:

      Heisst "Siegerlösung", Putin und Assad in Den Haag nicht als Kriegsverbrecher anzuklagen, die Giftgas, Bomben auf Krankenhäuser und Hilfskonvoi, 400.000 Tote und 10 M illionen Vertriebene zu verantworten haben?

      • @81622 (Profil gelöscht):

        "Siegerlösung" heisst, dass Syrien nicht Libyen oder dem Irak folgt und ins totale Chaos stürzt. Für viele lautstarke Vertreter sogenannter westlicher Werte scheint dies der Idealzustand zu sein. Mit der absehbaren Unterstützung durch verantwortungsvolle Partner stehen die Zeichen für Syrien nicht schlecht, dass ihm dies erspart bleibt. Zumindest im Moment.

         

        Putin und Assad kommen schon deswegen nicht nach Den Haag, weil sich Den Haag nur mit Afrikanern befasst. Bedauerlicherweise kam es bei der Bekämpfung der Terroristen zu Kollateralschäden. Diese sind leider nicht immer vermeidbar, wie wir in Jugoslawien und dem Irak gelernt haben. Insbesondere, wenn sich die Terroristen hinter Zivilisten verstecken.

         

        Wegen Ihrem Giftgas sollten Sie sich beim US-Außenministerium schlau machen. Dies warnt vor Reisen in die Provinz Idlib, weil die dortigen extremistischen Gruppen dafür bekannt sind, dass sie chemische Waffen einsetzen. Nachzulesen ist dies hier: https://travel.state.gov/content/passports/en/alertswarnings/syria-travel-warning.html

      • @81622 (Profil gelöscht):

        Wo bitteschön ist denn nun die Anklage für Den Haag?

         

        Beweise gibt es doch mehr als genug, zumindest gefühlt und außerdem wurde es doch alles unzählige Male in den Medien unserer westlichen Wertegemeinschaft kolportiert, wenngleich oft in Konjunktivsätzen. Hat die UN deren Experten doch unbestechlich sind, plötzlich Muffensausen bekommen? Vielleicht haben die selber weniger an die eigene Version geglaubt als manche fanatischen Russlandhasser und Kommunistenfresser, die mit Schaum vorm Mund ihre Fassbomben und Giftgasmassenmorde in jedem Satz unterbringen müssen.

         

        Vielleicht sind manche Politiker in den USA und Europa einfach klüger geworden und besitzen noch einen Rest diplomatisches Bewustsein, also lässt man Putin und Assad erst mal machen. Die Bevölkerung würde bei demokratischen Wahlen den Assad ja wieder wählen und es dem Westen evtl. übelnehmen wenn Assad jetzt den Weg Gaddafis oder Husseins gehen müsste.

      • @81622 (Profil gelöscht):

        "Putin" bombardiert Krankenhäuser und letzte Krankenhäuser, immer wieder, natürlich ausschließlich Zivilisten. Al Nusra gab es wahrscheinlich gar nicht

         

        Und im Bundestag wird die Verlängerung des BW-Einsatzes beschlossen, ohne dass es ein Monitoring über die zivilen Opfer durch die Bomben der "Koalition" gibt.

         

        Brauchen wir nicht, denn die Bomben der Wertegemeinschaft treffen ausschließlich Terroristen.

         

        Raqqa und Mossul mal angeschaut?

         

        Und dann das Narrativ überprüfen, bitte.

        • 8G
          83379 (Profil gelöscht)
          @wertegemeinschaft:

          Der Unterschied ist, dass es klare Hinweise gibt, dass das Regime gezielt Zivilisten angreift. Wäre mir neu, dass die NATO Staaten mit Raketen und Bomben - die Stückkosten liegen in den hundertausenden - gezielt Zivilisten angreifen.

          Unterschied ganz simpel erklärt, Bomber wirft gezielt Bombe auf eine Schule= Kriegsverbrechen. Bomber wirft Bombe auf Panzer trifft Schule=Unfall, Nebenprodukt des Krieges. Kann man zynisch finden aber so ist die Rechtslage.

          • @83379 (Profil gelöscht):

            "Unterschied ganz simpel erklärt, Bomber wirft gezielt Bombe auf eine Schule= Kriegsverbrechen."

             

            Problem ist, wenn der Bomber Schulen und Krankenhäuser nicht bombadiert bilden sich dort Rückzugräüme für gegnerische Kombatanten.

             

            Kämpfer in Schule => Bomben kein Kriegsverbrechen. Wer solls prüfen, wer weiß es besser, wen interessiert es?