Putin gegen westliche Firmen: Gasfeld-Beteiligungen beschlagnahmt
Anteile ausländischer Firmen sollen ab 2024 an russische Unternehmen gehen. Können die Teileigentümer OMV und Wintershall Dea dagegen vorgehen?
Die bisherigen Unternehmensverträge wurden durch Putins Dekret für ungültig erklärt. „Bis Mitte 2024“ sollen die ausländischen Anteile an neu zu schaffende russische Unternehmen übergehen. Der Erlös aus dem Verkauf der Anteile solle auf Sonderkonten der bisherigen Eigentümer gehen, auf denen die Eigentümer voraussichtlich aber nicht so ohne weiteres zugreifen können – Stichwort Gegensanktionen Russlands gegen die EU.
Es handle sich um die erste Direktverstaatlichung ausländischer Anteile durch die russische Führung, sagte der Russlandexperte Vasily Astrov vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) dem Radiosender Ö1. Es habe zwar schon früher Fälle von Unternehmen gegeben, die unter russische Kontrolle gestellt wurden, etwa beim französischen Unternehmen Danone oder dem dänischen Bierbrauer Carlsberg, sagt Astrov. Das sei aber nicht dasselbe wie eine Direktverstaatlichung.
Wintershall Dea gab auf taz-Anfrage bekannt, von den geplanten Beschlagnahmen aus den Nachrichten erfahren zu haben. Man sei dabei, die Situation noch im Detail zu analysieren und könne noch keine näheren Auskünfte erteilen.
Die Auswirkungen der Beschlagnahme spielt die OMV, die nun alle Optionen inklusive einer Veräußerung und eines Ausstiegs prüfen will, in einer Stellungnahme herunter. Die 24,99%-Beteiligung am westsibirischen Gasfeld Juschno Russkoje sei bereits 2022 „wertberichtigt“ worden. „Es sind somit faktisch keine weiteren negativen Auswirkungen auf die Ergebnisse zu erwarten“, so der Konzern. Der Umfang dieser „Wertberichtigung“ betrug laut OMV 500 bis 800 Millionen Euro. Verlierer ist auch die Republik Österreich, die mit 31,5 Prozent an der OMV beteiligt ist.
Fragen der taz an die OMV bleiben unbeantwortet
Verwaltet wird die staatliche Beteiligung von der ÖBAG, der Österreichische Beteiligungs AG, die auch Teile des OMV-Aufsichtsrats beschickt. Die ÖBAG sieht aber offenbar keine eigene Zuständigkeit und verweist auf die OMV. Die wiederum ließ einen Fragenkatalog der taz unbeantwortet.
Ein weiteres, nicht nur moralisches, Problem ist die enorme Abhängigkeit Österreichs von russischem Gas: Rund zwei Drittel der Gasimporte kommen weiterhin aus Russland. Zuletzt, im Oktober, waren es gar 90 Prozent der importierten Mengen. Als größer Gasversorger deckt die OMV 30 bis 40 Prozent des österreichischen Bedarfs ab. Wie es heißt, hat das Unternehmen mittlerweile seine Bezugsquellen diversifiziert.
Dennoch ist der Gesamtanteil russischen Gases an den österreichischen Importen enorm – rund sieben Milliarden Euro gehen dafür jährlich nach Russland. Regierung und OMV berufen sich auf den bis 2040 geschlossen Liefervertrag mit der russischen Gazprom – einen „take or pay“-Vertrag, weswegen auch bei einem früheren Ausstieg Österreich weiterhin Milliarden nach Russland überweisen müsste. Experten zweifeln dies an, da Russland immer wieder seine Liefermengen drosselte und damit womöglich selbst vertragsbrüchig geworden sei.
Mit Sicherheit sagen lässt sich das aber nicht, da die teilstaatliche OMV den Liefervertrag streng unter Verschluss hält. Nicht einmal die österreichische Regierung hat laut eigenen Angaben Einsicht. Bei der Anbahnung war die damalige Regierungsspitze sehr wohl beteiligt: Ex-Kanzler Sebastian Kurz stand 2018 lächelnd neben Putin, als der ohne Not verlängerte Vertrag von den Unternehmensbossen in Wien unterschrieben wurde.
Wien hat es mit Loslösung von Moskau nicht eilig
An der Kippe könnte die Gasversorgung schon Ende 2024 stehen, da dann der aktuelle Transitvertrag zwischen der Ukraine und Russland endet. Verlängert werden soll er seitens der Ukraine nicht mehr – verständlicherweise, finanziert doch Putin seinen Krieg bekanntermaßen mit den Einnahmen aus dem Energiegeschäft.
Das drohende Transitende könnte für Österreich große Probleme mit sich bringen, warnen Experten. Zwar drohe voraussichtlich keine Gasmangellage, jedoch würden die Preise bei Lieferengpässen wie schon im Vorjahr neuerlich durch die Decke gehen. Um dies zu vermeiden, bräuchte es den Ausbau eines 40 Kilometer Pipeline-Teilstücks nahe Linz. Der Ausbau geschieht aber bis dato nicht, weil die Finanzierung noch nicht geklärt ist. Und weil es die österreichische Regierung weiterhin nicht allzu eilig mit der Loslösung von Russland hat.
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