Pussy-Riot-Frauen gründen NGO: Punkerinnen werden politisch
Die zwei aus der Haft entlassenen Pussy-Riot-Frauen wollen sich nun für Gefangene einsetzen. In ihrem Kollektiv ist das umstritten.
BERLIN taz | Marija Aljochina und Nadeschda Tolokonnikowa, die zwei berühmtesten Pussy-Riot-Aktivistinnen gründen gerade ihre NGO Zona Priva, die sich für die Einhaltung der Menschenrechte und einer Verbesserung der Bedingungen in russischen Gefängnissen beschäftigt. Die beiden könnten sich auch vorstellen, für die Moskauer Stadtregierung zu kandidieren. „Einen Versuch wäre es wert“, sagte Tolokonnoikowa am Montag in Berlin.
Das dürfte mehr als schwierig werden. Schon die Registrierung ihrer NGO wurde von den russischen Behörden abgelehnt. Tolokonnikowa und Aljochina berichten, wie alle Menschen, die an dem Projekt beteiligt sind, in Russland unter Druck gesetzt und bewacht werden. „Wir wollen den Gefängnisverwaltungen zeigen, dass sie die inhaftierten Menschen nicht behandeln können, wie sie wollen“, sagt Aljochina. Beide Frauen fordern eine internationale zentrale Kontrolle für Gefängnisse.
Eine Zusammenarbeit mit dem erst kürzlich aus dem Gefängnis entlassenen Michail Chodorkowski sei für sie denkbar. Der Kremlgegner wurde im Dezember von Putin begnadigt. Und auch Marija Aljochina und Nadeschda Tolokonnikowa wurden im Zuge einer Amnestie aus der Haft entlassenen. „Wir sollten es nicht Amnestie nennen, es ist eine Täuschung. Putin versucht nur, sein Image aufzupolieren“, sagt Tolokonnikowa. Grund dafür seien die Olympischen Spielen in Sotschi. Die beiden Musikerinnen berichten von einer kleinen Gruppe, die bei der Eröffnung am Rand Regenbogenflaggen hisste und dafür verhaftet worden sei.
Anfang des Monats erschien eine offener Brief von anonymen „Pussy Riot“-Mitgliedern. Für sie gehören Aljochina und Tolokonnikowa nicht mehr zum Kollektiv, weil ihre NGO „mit radikalen politischen Statements und provokanten Kunstwerken kaum vereinbar ist“. Das dementieren die beiden Russinnen: „Wir haben das Kollektiv nie verlassen. Aber Menschen mit offenen Gesichtern können nicht sagen, dass sie zu Pussy Riot gehören. Unsere Gesichter sind jetzt offen. Man weiß jedoch nie, vielleicht ziehen wir gleich unsere Skimasken an und gehen auf ein Punkkonzert.“
Tolokonnikowa und Aljochina sind im Rahmen der Berlinale Gäste der „Cinema for Peace“-Gala im Konzerthaus am Berliner Gendarmenmarkt. Der Dokumentarfilm „Pussy Riot – A Punk Prayer“ ist für einen „Cinema for Peace Award“ nominiert. Die beiden hatten vor zwei Jahren in der Moskauer Erlöser-Kathedrale gemeinsam mit Bandkolleginnen mit einem „Punkgebet“ gegen die Wiederwahl von Putin protestiert. Ein Gericht verurteilte sie daraufhin wegen „Rowdytums aus religiösem Hass“ zu zwei Jahren Haft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Krieg in der Ukraine
USA will Ukraine Anti-Personen-Minen liefern