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Public Art MunichSchwarzer Schwan im Bayerischen Hof

Die zweite Ausgabe der Münchner Projektreihe für den Stadtraum bleibt marginal. Und das trotz tierischen Besuchs im Edelhotel.

Der Schwan im Hotel Foto: Frank Zauritz

Public Art Munich (PAM) will München auf den Zahn fühlen, stadtgeschichtlich, soziopolitisch und überhaupt. Will zeigen, was es mit vergessenen, verdrängten, bis heute nachwirkenden Game Changers – so der Titel der noch bis 27. Juli währenden Kette von performativen Eingriffen in das Stadtgefüge – auf sich hat. Die Künstler, die die Kuratorin Joanna Warsza eingeladen hat, haben sich den teils verborgenen Orten, teils unrettbar fixen Topoi der Stadt mit Verve gewidmet.

Zu Letzterem gehört die vielgepriesene Liberalität ebenso wie die Saturiertheit. Und eine gewisse Phantasielosigkeit. Tatsächlich konnte sich auch keiner der etwa dreihundert Besucher der Eröffnungsperformance im zeitlos eleganten Olympiastadion vorstellen, dass das Reenactment des legendären Fußballspiels DDR-BRD von 1974 zum regelrechten Happening alter Schule werden könnte.

Choreographiert von Massimo Furlan als Zwei-Personenstück mit Torschütze und Torwart. Ohne Ball. Aber mit Flutlicht und ostdeutschem Sportreporter aus der Konserve. Nach nicht einmal 15 Minuten wurde der Spieler mit gebrochenem Knöchel vom Platz getragen, während ein nicht bestellter Flitzer durchs menschenleere Stadion schoss. Das Publikum harrte mit dem alleingelassenen Torwart aus, bejubelte beziehungsweise betrauerte in der 72. Minute das unhaltbare Zaubertor und ging zum Feiern in die Kneipe. Ein Auftakt nach Maß.

Auch wenn dieses Spiel damals in Hamburg stattgefunden hat – Fußball ist Kult, dessen Ausübung und rituelle Handlungen die Münchner aus dem Effeff beherrschen. Holzhammerhaft vorgetragene Kritik an den in diesem Kult üblichen Machenschaften wird registriert. Irritiert ist niemand.

Gemischtgeschlechtliche Nachwuchsmannschaft

Ein Häufchen Zuschauer versammelte sich drei Wochen später zu dem nunmehr im riesigen Allianz-Stadion mit zwei gemischtgeschlechtlich zusammengesetzten Nachwuchsmannschaften des FC Bayern inszenierten Spiel, das durch eine Reihe von Manipulationen und willkürliche Regelvariationen bestach. Nichts Neues in der Arena, der Schuss ging übers Tor. Den Kids hat es gefallen.

Über die Wochen bedeckte derweil der Journalist und Cartoonist Dan Perjovschi die riesigen Glasscheiben der Kunsträume im Maximiliansforum – eine gespenstische Passage unter der gesellschaftlich korrekt anzufeindenden, superteuren Maximilianstraße, die zuversichtlich wieder und wieder bespielt, aber von Anfang an und wohl bis in alle Ewigkeit so gut wie nicht beachtet wird – mit virtuosen Zeichnung und sarkastischen Wortspielen, deren Entstehung man beiwohnen konnte.

PAM 2018

Public Art Munich 2018 (PAM 2018), Game Changers, Performative Kunst in der Stadt, kuratiert von Joanna Warsza läuft noch bis 27. Juli 2018. Weiter Infos unter www.PAM2018.de

Mit einer ausgetüftelten Inszenierung im Luxushotel Bayerischer Hof gab dann Olaf Nicolai der „Black Swan“-Theorie des Finanzmathematikers Nassim Taleb ein Bild: Er hat den – unvorstellbaren – Besuch zweier schwarzer Schwäne zum Zwecke einer geheimen Liebesnacht von dem People-Magazin Bunte fotografieren und publizieren lassen. Der Schwan als Hotelgast ist somit dokumentiert und wahrhaftiger Gegenstand von Vermutungen, Vorhersagen und Diskursen.

Zur Vorstellung dieses Projekts (Rara Avis in Terris – seltener Vogel…) hat Nicolai Wissenschaftler eingeladen, die launige Vorträge zum Thema Katastrophe und Krise hielten, wobei sie Gescheites zu Fakten und Gerüchten über Klima- und Umweltschutz beitrugen. In der Bar des Grandhotels ging das freilich im nicht zu übertönenden Geschnatter der Hotel-VIPs und in aquamarinblauen Cocktails unter.

Bunte-Chef stimmt Schwanengesang an

Auch der grandiose Akkordeonspieler hätte weit mehr Beachtung verdient. Mehr jedenfalls, als der Bunte-Chefredakteur, der die gesellschaftliche und überhaupt Aufgabe seines Magazins ganz besonders ausführlich erläutern durfte. Und damit gleich zu Beginn den Schwanengesang der Veranstaltung anstimmte.

Es ist nicht leicht mit den Münchnern. Gut besucht von Nostalgikern und neugierigen Jungen war Michaela Mélians 24-stündige Musikinstallation „Music from a Frontier Town“ in einem Nebengebäude des legendären Amerikahauses, einer Institution der US-Forces, die unnachahmlich lässig ihre Alliierten-Funktion der Demokratisierung und Entnazifizierung der Bevölkerung mit anti-russischer Propaganda verquickte.

In den ersten Jahrzehnten nach dem Krieg war das Amerikahaus mit Bibliothek, Ausstellungen und Konzertsaal einer der populärsten kulturellen Treffpunkte. Mélian hat aus dem 1997 beim Auszug vergessenen und nun zufällig entdeckten Schallplattenarchiv eine Klangcollage zusammengestellt. Zur PAM gab sie Besuchern die Möglichkeit Teile des Archivs zu nutzen und Platten ihrer Wahl aufzulegen. Viele kamen und blieben. Tag und Nacht.

Die weiteren Ereignisse werden sich auch der romantisch-kurzen Räte-Republik widmen: Anders Eiebakke wird eine „Münchner Taube“, eine Drohne, über der Theresienwiese aufsteigen lassen und an die Münchner Revolution von 1918 erinnern. Man wird sich in der Bayerischen Volkssternwarte, inspiriert von Stanislav Lem und begleitet von Musik, die Thomas Meinecke kompiliert, zum 9. Futurologischen Kongress versammeln.

Man liebt die Musik in dieser Stadt

In den Räumen des ehemaligen antikommunistischen, nur ein bisschen geheimen CIA-Senders Radio Free Europe wird man über forensisches Hören aufgeklärt (Lawrence Abu Hamedan), man wir auf einer festgelegten Route (X-shared Spaces) in 24 Wohnungen Performances verfolgen und so zum Touristen in der eigenen Stadt werden, oder zum temporären Mietnomaden, vielleicht auch zum kundigen Flaneur.

Im ansonsten viel zu wenig genutzten von Flaka Haliti entworfenen Pavillon auf dem Viktualienmarkt werden hin und wieder von den Künstlern gestaltete Gläser (und Cocktails) gereicht und der Diskurs gepflegt. Zu guter Letzt wird im Maximiliansforum vier Tage lang ein aus Münchner Straßenmusikern zusammengestelltes Orchester eine eigens für PAM geschaffene Komposition von Ari Benjamin Meyers proben. Sie wird am 27. Juli im Münchner Rathauses uraufgeführt wird, wo die Straßenmusiker tagtäglich antichambrieren müssen, um eine Spielgenehmigung zu bekommen. Das könnte auch was werden. Man liebt die Musik in dieser Stadt.

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