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Prozess zu gekauften ListenplätzenKriegskasse der AfD wieder vor Gericht

Das Oberlandesgerichtgericht Celle musste sich mit angeblich gekauften Listenplätzen befassen. Der Mann, der den Wirbel ausgelöst hatte, blieb fern.

Geld gegen Listenplatz? Dieser Vorwurf steht bei der AfD Niedersachsen im Raum und wird vor Gericht verhandelt Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Celle taz | Zugegeben es wird langsam unübersichtlich, was die diversen Verfahren rund um die sogenannte „Kriegskasse“ der AfD in Niedersachsen angeht. Vor mehr als zwei Jahren hat der Ex-AfD-Landtagsabgeordnete Christopher Emden öffentlich behauptet, er sei vom jetzigen Landesvorsitzenden Ansgar Schledde aufgefordert worden, 4.000 Euro auf ein privates Konto Schleddes einzuzahlen – für einen sicheren Listenplatz bei der Landtagswahl in Niedersachsen 2022.

Dieser Vorgang beschäftigt die Justiz nun immer noch und zwar gleich an mehreren Fronten: Die Staatsanwaltschaft Hannover ermittelt seit mehreren Monaten gegen Schledde wegen eines möglichen Verstoßes gegen das Parteiengesetz. Der Staatsgerichtshof in Bückeburg befasst sich mit der Frage, ob die Unregelmäßigkeiten bei der Listenaufstellung der AfD so gravierend waren, dass die Landtagswahl wiederholt werden müsste. Hier wird eine Entscheidung im Dezember erwartet.

Und das Oberlandesgericht in Celle befasste sich am Mittwoch mit der Frage, ob Emden solche Aussagen künftig unterlassen muss. Das Landgericht Verden hatte eine Unterlassungsklage Schleddes im März zurückgewiesen – es hatte die Vorwürfe Emdens nach eigener Beweisaufnahme als glaubhaft eingestuft. Dagegen ging Schledde in Berufung, weshalb sich nun auch der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichtes Celle mit der Materie befassen musste.

Viel zur Erhellung beitragen, so viel sei hier vorweg genommen, konnte er dabei nicht. Aber immerhin lieferten die zwei Zeugen, die angehört wurden, einmal mehr einen Einblick in das Innenleben der Partei.

Beklagter bleibt weg

Zunächst aber musste sich das Gericht mit der Abwesenheit des Beklagten auseinandersetzen. Christopher Emden, von Beruf selbst Richter, hatte kurzfristig am Abend zuvor gegen 22 Uhr ein Attest eingereicht – er sei quasi auf der Reise zum Termin erkrankt.

Das, erklärt der Vorsitzende Richter, ist nicht das erste Mal. Das Gericht hatte deshalb ein amtsärztliches Attest gefordert, das aber nicht vorlag. Und als ob Emden es geahnt hätte, hatte er gleich noch einen Befangenheitsantrag hinterher geschoben. Auch der wurde abschlägig beschieden.

Immerhin begründet die Erkrankung Emdens ja auch nicht, warum nicht zumindest seine Anwältin und Prozessbevollmächtigte anwesend sein konnte. Allerdings: Dabei handelt es sich um Emdens Ehefrau, die in der ersten Instanz auch schon als Zeugin auftrat. Das Gericht hatte ihn deshalb auch schon aufgefordert, sich eine weitere anwaltliche Vertretung zu besorgen – auch diesen Hinweis hat Emden ignoriert.

Über die Gründe für diese Verzögerungstaktik lässt sich nur spekulieren: Dem NDR sagte Emden im April, er fühle sich bedroht. Gleichzeitig muss er weitere, neue Zeugen und Belege beibringen, die seine Behauptungen stützen. Gehört wurden in diesem Fall nun schon einmal zwei Zeugen: Beide gehören beziehungsweise gehörten der Partei selbst an und erklären offen, auf Ansgar Schledde nicht gut zu sprechen zu sein.

Vorwurf: Fünfstelliger Betrag für sicheren Listenplatz

Der erste Zeuge weitet die Vorwürfe sogar noch einmal erheblich aus: Er erklärt, er habe von seinem damaligen stellvertretenden Kreisverbandvorsitzenden erfahren, dieser sei zur Zahlung eines fünfstelligen Betrages für einen sicheren Listenplatz bei der Bundestagswahl 2021 aufgefordert worden. Diese Behauptung ließe sich durch interne Telegram-Chats belegen.

Außerdem habe er selbst von Schledde einen sicheren Listenplatz bei der Europawahl angeboten bekommen, dafür sollte er dann allerdings jeden Monat 10.000 Euro aus seinem Personalfond an Schledde beziehungsweise von ihm zu bestimmende Mitarbeiter durchreichen sollen. Wenn das stimmt, bestand die sogenannte Kriegskasse nicht nur zur Landtagswahl in Niedersachsen. Trotz mehrfacher Nachfragen des Gerichts bleibt allerdings unklar, wie viel davon Schledde bei einem gemeinsamen Abendessen tatsächlich gesagt hat – und was davon schlichte Schlussfolgerungen des Zeugen selbst sind.

Der zweite Zeuge sagt aus, er sei mehrfach von seinem damaligen Kreisvorsitzenden bedrängt worden, Schledde einen Gefallen zu tun. Der hätte dringend eine Bescheinigung gebraucht, dass er in seinem Revier mit zur Jagd gegangen sei, wohl um seine Waffenbesitzkarte zu rechtfertigen. Er habe das aber verweigert. Irgendwann habe Schledde auch selbst bei ihm angerufen und um diese eidesstaatliche Erklärung gebeten. Im Zuge dessen habe er ihm auch einen Listenplatz für die Landtagswahl angeboten, für den er allerdings auch noch 4.000 Euro hätte zahlen sollen.

Zeugen trauten ihm das zu

Unklar bleibt allerdings auch, wie genau Schledde denn diese Listenplatzierungen hätte sicherstellen wollen. Danach, bekennen beide Zeugen auf Nachfrage des Gerichts, hätten sie nicht weiter gefragt. Sie trauten ihm das einfach zu, immerhin galt er als der große Strippenzieher im Landesverband, der von der Bundesebene bis in die Kreisverbände gut vernetzt sei. Beide Zeugen haben das Angebot letztlich ausgeschlagen.

Es gibt in diesen Aussagen eine Reihe von größeren bis kleineren Unstimmigkeiten: Zum Teil scheinen die Daten nicht ganz stimmig oder die Beschreibung der Örtlichkeit. Zeitweise ergehen sich die Zeugen auch lieber in Ausführungen zu innerparteilichen Streitigkeiten als in präzisen Details. Für Schledde und seine Anwälte ist es daher relativ leicht, das Ganze im Anschluss an die Verhandlung in Bausch und Bogen als unwahr und gelogen zurückzuweisen.

Erst einmal spielen die Zeugenaussagen aber für den weiteren Lauf der Dinge auch keine Rolle. Das Gericht beabsichtigt, ein Versäumisurteil zu fällen: Am kommende Montag wird es seine Entscheidung über den ursprünglichen Berufungsantrag verkünden. Erst wenn Emden dann Einspruch einlegt, müsste die Beweisaufnahme wieder aufgenommen und weitergeführt werden.

Was im Übrigen auch nicht bedeutet, dass Ansgar Schledde aus dem Schneider ist. Denn da sind ja immer noch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und das Verfahren vor dem Staatsgerichtshof.

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