Prozess wegen Rechtspopulismus-Vorwürfen: Neue Niederlage der „Freien Bauern“ gegen Forscherin
Ein Oberlandesgericht lehnt eine „Gehörsrüge“ des Agrarverbands ab. Damit darf Janna Luisa Pieper ihn weiter als „rechtspopulistisch“ bezeichnen.
![Bauernprotest in Berlin mit Kinder-Traktor und Plakat "Stirbt der deutsche Bauerstand, stirb auch das deutsche Vaterland" Bauernprotest in Berlin mit Kinder-Traktor und Plakat "Stirbt der deutsche Bauerstand, stirb auch das deutsche Vaterland"](https://taz.de/picture/7346595/14/34434478-1.jpeg)
Mit der Rüge wollte der Anwalt der Freien Bauern, Stephan Stiletto, erreichen, dass das Gericht das Verfahren gegen die Agrarsoziologin Janna Luisa Pieper weiterführt, obwohl das Urteil in zweiter Instanz eigentlich unanfechtbar ist. Dem hätten die Richter gemäß Zivilprozessordnung nur stattgeben dürfen, wenn sie „den Anspruch dieser Partei auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt“ hätten.
Die Freien Bauern kritisierten, das Urteil habe nicht ihr Argument berücksichtigt, Pieper habe bei dem Interview mit der Äußerung fälschlicherweise den Anschein erweckt, dass „ihrer Meinung wissenschaftliche Erkenntnisse zugrunde liegen“. Die Forscherin hatte aber nach eigenen Angaben bereits 2021 zu Radikalisierungstendenzen der Bauernproteste 2019/20 publiziert. Zudem habe sie im Rahmen von Gerichtsverfahren Tatsachenbelege aus ihren wissenschaftlichen Analysen angeführt, so Pieper. Das Gericht wies die Rüge mit dem Argument ab, es habe sehr wohl darauf hingewiesen, dass „auch ein Rundfunkinterview durch einen Wissenschaftler keine besondere Äußerungssituation ist, die zu einer Einschränkung der Meinungsfreiheit führt“.
Das Oberlandesgericht hatte laut Beschluss vom 20. September die Berufung der Organisation gegen ein Urteil des Landgerichts Halle als offensichtlich unbegründet abgelehnt, wonach Pieper die „rechtspopulistisch“-Äußerung nicht per einstweiliger Verfügung zu verbieten ist. Demnach ist diese Meinungsäußerung durch die allgemeine Meinungsfreiheit gedeckt. Als Tatsachengrundlage genügte dem Landgericht zufolge, dass die Freien Bauern „sich mit plakativ vorgetragener Kritik an Bauerndemonstrationen gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung beteiligt“ hätten.
„Selbstgerechte liberale Oberschicht“
Pieper argumentierte, dass gerade agrarpolitische Themen „rechtspopulistisch bearbeitet und kommuniziert werden“ könnten. So hätten die Freien Bauern in einer Pressemitteilung erklärt, in „der gegenwärtigen Agrarpolitik würden sich fast ausschließlich die weltfremden Ideologien einer selbstgerechten liberalen Oberschicht widerspiegeln“. In einer anderen Pressemitteilung sei von „Brüsseler Bürokraten“ die Rede, die „als grüne Ideologen“ einen „Vormachtsanspruch“ und das Ziel einer „schleichende[n] Enteignung“ verfolgen würden. Bei einer Demonstration in Brüssel habe ein Bundesvertretungsmitglied der Freien Bauern gesagt, es gebe „ein gigantisches Kartell aus Pseudowissenschaft und Medien, die den Menschen einreden, sie würden die Welt retten, wenn sie anstatt Milch, Fleisch und Eiern oder Fisch ein industrielles Designerfood fressen würden“.
Die Freien Bauern konterten in Halle, ihr Programm beschäftigte sich nur mit der Agrarpolitik, aber nicht mit rechtspopulistischen Themen wie Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus oder angeblich korrupten Eliten. Die Organisation räumte allerdings ein, dass sie den Dialog mit Parteien und Gruppierungen „im gesamten politischen Spektrum“ suche, „um Schnittmengen zu finden“. Aber „ein Näheverhältnis“ zu Parteien meide man „gezielt“. Bei einer Demonstration in Berlin hätten sich die Freien Bauern „zur politischen Neutralität“ bekannt.
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