Prozess wegen Autozündelei: Angeklagter Autobrandstifter vor Freispruch
Richter sieht bei Prozessauftakt kaum Beweise gegen Angeklagten und hebt Haftbefehl auf. Brandexperte hatte 23-Jährigen entlastet. Soli-Bündnis kritisiert lange U-Haft und fordert Freispruch.
Überraschender Auftakt im zweiten Prozess gegen einen mutmaßlichen Berliner Autobrandstifter vor dem Landgericht: Am Dienstag hob der verhandlungsführende Richter Ralf Fischer die U-Haft für den Angeklagten Christoph T. auf. Es bestehe kein dringender Tatverdacht mehr, eine Verurteilung des 23-jährigen Pankowers erscheine nach der bisherigen Beweisaufnahme unwahrscheinlich.
Die Staatsanwaltschaft wirft Christoph T. vor, zusammen mit einem 20-Jährigen Mitte Juni einen VW-Passat in der Pettenkoferstraße in Friedrichshain mit Lampenöl angezündet zu haben. Der Angeklagte wurde in Tatortnähe festgenommen, weil er sich "auffällig" zu entfernen versuchte, sich wiederholt umgedreht und die Kleidung gewechselt habe. Zudem hätten sich Spuren von Lampenöl an dessen Kleidung befunden. Nach seiner Verhaftung wurde der 23-Jährige zunächst freigelassen, auf Beschwerde der Staatsanwaltschaft aber am 15. Juli in U-Haft gesetzt. Die Ankläger rechnen Christoph T. der linksradikalen Szene zu. Das Verfahren gegen den 20-Jährigen vor dem Jugendgericht ist noch nicht eröffnet.
Christoph T. schwieg im Vorfeld wie auch zum Prozessauftakt zu den Vorwürfen. Dafür sprach ein Brandgutachter - und entlastete den Angeklagten. Entgegen einem ersten Gutachten konnte der Experte weder Lampenöl noch andere Brandbeschleuniger am Tatort nachweisen. Das Öl sei auch "eher ungeeignet", ein Auto in Brand zu setzen. Zudem lasse sich nicht bestimmen, wann die Ölspuren an die Kleidung des Beschuldigten gelangten. Diese könnten sich einige Wochen in der Kleidung halten, würden auch eine Wäsche überstehen.
Ein Solidaritätsbündnis für Christoph T. forderte einen Freispruch für den 23-Jährigen. "Die vorliegenden ganz, ganz schwachen Indizien sind seit Juli bekannt. Es ist ein Skandal, dass Christoph so lange in U-Haft sitzen musste", so ein Sprecher.
Am Freitag wird der Prozess fortgesetzt. Dann startet auch der dritte Verhandlungstag gegen Alexandra R. Der 21-Jährigen wird ebenfalls eine versuchte Autobrandstiftung vorgeworfen. Sie sitzt weiter in U-Haft. Seit Jahresbeginn wurden in Berlin über 240 Autos angezündet. (mit dpa)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!