Prozess um Reker-Attentat: „Wie eine Hinrichtung“
Vor Gericht schildert die Kölner Oberbürgermeisterin den Angriff bis ins Detail. Noch immer spüre sie deutlich die Folgen.
Reker war als erste Zeugin im Verfahren gegen den 44-jährigen Frank S., geladen. Die Bundesanwaltschaft geht davon aus, dass dieser am 17. Oktober 2015 aus „heimtückischen und niedrigen Beweggründen“ die Politikerin töten wollte, um ihre Wahl zur Oberbürgermeisterin zu verhindern. Außerdem verletzte er vier weitere Menschen schwer. S. droht lebenslange Haft.
Rekers Schilderungen deckten sich im Wesentlichen mit bereits bekannten Fakten zum Tathergang. Demnach hatte sich Frank S. der Politikerin am Vormittag in Köln an einem Wahlstand genähert, als sie Rosen an Passanten verteilte, und ihr ein Bowiemesser in den Hals gerammt. Der Stich durchtrennte ihre Luftröhre, spaltete einen Halswirbel. Reker wurde lebensgefährlich verletzt, musste notoperiert werden und lag mehrere Tage im künstlichen Koma. Noch sind die Folgen der Attacke spürbar: „Ich habe das Gefühl, immer eine Tablette im Hals zu haben.“
Auch leide sie seither unter Albträumen, sagte die 59-Jährige. Das Attentat sei ihr „wie eine Hinrichtung“ vorgekommen, daher träume sie manchmal, „dass mir die Kapuze über den Kopf gezogen wird“.
Flüchtlingsversorgung selbstverständlich
Die Kölner Oberbürgermeisterin betonte zugleich, dass sie „großes Glück“ gehabt habe, da weder Schlagader noch Rückenmark getroffen wurden und sie auch keine Angst vor Menschenmengen entwickelt habe. Die vorsitzende Richterin des OLG Düsseldorf, Barbara Havliza, fragte auch nach Rekers politischer Haltung.
Bis zu ihrer Wahl war die parteilose Politikerin als Sozialdezernentin für die Unterbringung der Flüchtlinge in Köln zuständig. Diese in der besten Form zu versorgen, sei für sie „eine Selbstverständlichkeit“, und: „Ich habe immer klargemacht, welche Chancen die Flüchtlinge für unsere Gesellschaft sind.“ Für diese Haltung sei sie zwar auf öffentlichen Veranstaltungen manchmal beschimpft, aber niemals bedroht worden.
Henriette Reker
Frank S. – Stirnglatze, Kinnbärtchen – nahm die Schilderungen Rekers regungslos zur Kenntnis. Für die Fotografen posierte er zu Verhandlungsbeginn neben seinen Anwälten, ohne das Gesicht hinter Aktendeckeln zu verstecken. Vergangene Woche hatte er ein umfassendes Geständnis abgelegt. Er habe mit der Attacke „ein Zeichen“ setzen wollen gegen die seiner Meinung nach verfehlte Ausländerpolitik. Allerdings habe er die Politikerin nicht töten, nur verletzen wollen, daher auch nicht weiter auf sie eingestochen.
Zum Auftakt des Prozesses hatte der Angeklagte Verbindungen zur Neonazi-Szene und zur 1995 verbotenen rechtsextremen Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP) eingeräumt, außerdem sei er bundesweit auf Nazi-Aufmärschen gewesen. Er selbst bezeichnete sich aber nicht als Nazi, sondern als „wertkonservativen Rebell“.
Verteidiger Christof Miseré sah von Fragen an die Oberbürgermeisterin ab. Nach der Vernehmung aber brachte er die Bitte seines Mandanten vor, „einige entschuldigende Worte“ an Reker zur richten. Die Oberbürgermeisterin wies ihn ab: „Das ist noch nicht die richtige Situation.“ In der vergangenen Verhandlung hatte Frank S. die Politikern als „weltfremde Schickeria-Ideologin“ beschimpft.
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