Prozess um „Fan-Plakat“ beim HSV: All Cops Are Beleidigt
Ein HSV-Fan steht vorm Amtsgericht, weil er ein Plakat mit der Aufschrift ACAB aufgehängt haben soll.
Die Aufschrift bringe die „fehlende Wertschätzung gegenüber den im Stadion eingesetzten Polizeibeamten zum Ausdruck“, heißt es von der Staatsanwaltschaft. Bereits im Februar erging deshalb ein Strafbefehl wegen Beleidigung gegen den HSV-Anhänger. Bei einem Strafbefehl kommt es nicht zu einer öffentlichen Hauptverhandlung, sondern das Verfahren wird schriftlich geführt. Das Gericht verurteilte H. damals zu 1.000 Euro Geldstrafe. Doch der Beschuldigte legte Einspruch ein – am Freitag findet der Prozess statt.
Der Bochumer Rechtsanwalt Matthias Düllberg hat sich darauf spezialisiert, Fußballfans zu verteidigen. Er rechne in diesem Fall mit einem Freispruch, sagt der Experte. Denn sollte H. das Transparent tatsächlich nur aufgehängt haben, reiche das für eine Verurteilung wegen Beleidigung nicht aus.
Im Mai hatte das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass der Ausspruch ACAB von der Meinungsfreiheit gedeckt sei, solange sich der Satz nicht auf eine konkrete Personengruppe beziehe. Die Parole sei „nicht von vornherein offensichtlich inhaltslos, sondern bringt eine allgemeine Ablehnung der Polizei und ein Abgrenzungsbedürfnis gegenüber staatlicher Ordnungsmacht zum Ausdruck“, heißt es in der Begründung des Gerichts. Es bedürfe einer „personalisierenden Adressierung der Parole“.
Der Angeklagte hätte also provozierend mit dem Transparent in Richtung eines bestimmten Polizisten wedeln müssen, damit es eine Beleidigung darstelle, erklärt Anwalt Düllberg, der selbst Fan des FC St. Pauli ist. „Dass sich ein Polizist beleidigt fühlt, reicht nicht aus.“
Dass das Verfahren trotz der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Hamburg weiterläuft, hält Düllberg für formal richtig.
Das Transparent hatte beim Spiel gegen Bayern für einen umstrittenen Großeinsatz der Polizei gesorgt. Die Beamten gingen mit Pfefferspray gegen die Fans im Block 22c vor, als die sich weigerten, das Plakat abzunehmen. Ein Mitarbeiter des Fanprojekts kritisiert den Einsatz als „total übertrieben“. Und sogar der HSV selbst beurteilte das Eingreifen der Polizei als „zumindest problematisch“. Von dem Pfefferspray seien auch Unbeteiligte betroffen gewesen, sagt Joachim Ranau, Fanbetreuer des Vereins.
Allerdings habe es schon vor dem Spiel Konflikte zwischen der Polizei und einigen Ultras gegeben – insbesondere mit der mittlerweile aufgelösten Gruppe Chosen Few Hamburg.
Auch wenn die Aufschrift juristisch nicht als Beleidigung zählen sollte, beim HSV sei sie unerwünscht, sagt Ranau: „Die Stadionordnung verbietet Transparente, die diskriminierend oder beleidigend sind.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin