Prozess um Bombe auf der Veddel: Ein geplanter Anschlag?

Die Ex-Freundin belastet den Angeklagten und die Polizei vor Gericht schwer: Der Mann habe den Anschlag geplant und die Polizei habe ihr nicht zugehört.

Vier Polizisten stehen am Eingang der S-Bahn-Station Veddel

Polizisten sperren nach dem Anschlag den Tatort auf der Veddel ab Foto: dpa

HAMBURG taz | Die Ex-Freundin des Angeklagten Stephan K. hat im Prozess um den Bombenanschlag auf der Veddel die Strategie der Verteidigung schwer erschüttert. Im Landgericht berichtete B., ihr Ex-Freund K. habe schon früh über einen Bombenanschlag mit sogenannten „Polenböllern“ nachgedacht. Am Freitagnachmittag sagte B. auch, sie sei nach dem Anschlag auf dem Bahnsteig des S-Bahnhofs Veddel von der Polizei nicht ernst genommen worden.

Seit Mittwoch vergangener Woche muss sich K. wegen vorsätzlichen Mordes verantworten. Die Staatsanwaltschaft hält dem 52-Jährigen vor, er habe am 17. Dezember 2017 auf einem Bahnsteig des S-Bahnhofs unter einer Sitzreihe eine Plastiktüte abgestellt, die mit zwei pyrotechnischen Sprengkörpern und mindestens 73 Montageschrauben befüllt war.

Die Tat hat K., der ohne festen Wohnsitz ist, nicht abgestritten. Das Zünden habe aber bloß ein Scherz sein sollen, um die Leute zu erschrecken, ließ er seinen Anwalt erklären. Eine spontane Idee, nachdem ihm ein Kumpel mit Spitznamen „La Bomba“ die beiden Böller geschenkt hatte.

Dieses Teilgeständnis erscheint nach der Aussage der Ex-Freundin, mit der K. zwei Kinder hat, nun mehr als fragwürdig. Lange vor dem Tag soll K. im Juni 2017 über einen Bombenanschlag mit „Polenböllern“ gesprochen haben. Dem Jugendamt will die Beamtin auch von diesen Gesprächen berichtet haben.

Die Opfer des NSU-Bombenanschlags in Köln 2004 wissen, wer sie treffen wollte: Rechtsextreme. Der Tatort war die politische Botschaft: Die Keupstraße in Köln ist stark migrantisch geprägt.

Solche Kontexte bei Ermittlungen mitzudenken, wollten die Ermittlungsstellen von Bund und Ländern nach dem Scheitern der NSU-Ermittlungen Standard eigentlich zum Standard machen.

Ein Rechtsextremer hatte in Düsseldorf im Jahr 2000 eine Rohrbombe an einen S-Bahneingang gelegt. Zehn Menschen wurden zum Teil schwer verletzt – sie waren vor allem jüdische so genannte Kontingentflüchtlinge aus Russland und der Ukraine.

Bei Hamburgs Ermittlern scheint dieses Muster dennoch unbekannt. Auf der Veddel haben rund 70 Prozent der Bewohner einen Migrationshintergrund.

Vor Gericht räumt die 42-Jährige ein, früher ein Skingirl gewesen zu sein. Sie habe sich in der rechtsextremen Szene bewegt und Rechtsrockkonzerte besucht. Inzwischen sei sie lange raus aus der Szene, besuche andere Konzerte.

Aus diesem Milieu kommt auch K. Aus dem dort verbreiteten Gedankengut heraus hatte er schon einmal tödlich zugeschlagen. Vor 25 Jahren war K. zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt worden – wegen der brutalen Ermordung des ehemaligen Kapitäns Gustav Schneeclaus, der Adolf Hitler als Verbrecher bezeichnet hatte. Mit einen Skinhead-Kameraden hatte K. in Buxtehude so schwer auf Schneeclaus eingetreten und -geschlagen, dass dieser drei Tage später starb.

Vor Gericht hatte der Anwalt von K. zuletzt behauptet, sein Mandant habe mit der Szene nichts mehr gemein. Ein politisches Motiv sei deshalb reine Spekulation. Für die Ex-Freundin allerdings nicht: Vor Gericht sagte B., sie kenne K. seit 2005 und er habe bis heute rechtsextreme Ansichten, könne Adolf Hitler frei zitieren und wolle alle Ausländer „vergasen“. Er sei eine tickende Zeitbombe.

Die Frau aus Trittau hatte das selbst zu spüren bekommen: Einmal schlug K. sie so schwer, dass sie einen Nasenbeinbruch erlitt. Beim Jugendamt erwirkte sie eine Unterlassungsverfügung, nach der K. sich ihr und den Kindern nicht mehr nähern darf. B. erzählte auch von K.s ständigem Umgang mit illegalem Sprengstoff.

Nach der Tat im Dezember bekam sie Angst. Als sie durch die Medien erfuhr, dass K. seine im Juni angekündigte Tat umgesetzt hatte, rief sie das örtliche Polizeirevier an, sei allerdings abgewimmelt worden.

Nach dem Anschlag hatte die Polizei gegenüber der Presse besonders betont, das K. in die Trinkerszene gerutscht sei. „Die bisher geschilderten Umstände lassen eigentlich nur einen Schluss zu: Man wollte bei der Hamburger Polizei und Staatsanwaltschaft trotz aller Indizien erst sehr spät in Richtung eines neonazistischen Anschlags ermitteln“, sagt Felix Krebs vom Hamburger Bündnis gegen Rechts. Am 9. August will die Verteidigung die Ex-Lebensgefährtin befragen.

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