Prozess in Guatemala: Das Ende des Schweigens
Im Militärcamp Sepur Zarco wurden im Jahr 1981 indigene Frauen verschleppt und missbraucht. Jetzt beginnt ein Prozess gegen die Verantwortlichen.
![Frauen auf einem Plakat in Guatemala-Stadt Frauen auf einem Plakat in Guatemala-Stadt](https://taz.de/picture/966968/14/15216654.jpeg)
„Sepur Zarco“ heißt der am Montag beginnende Prozess nach dem Tatort, einem Militärcamp im Verwaltungsbezirk Izabal. „Zum ersten Mal geht es vor Gericht in Guatemala ausschließlich um Gewalt gegen Frauen, verübt im Kontext des Bürgerkriegs durch Soldaten“, sagt Paula Barrios.
Die Anwältin ist Vertreterin der fünfzehn Frauen, die sich vor sieben Jahren entschieden haben, Klage gegen ihre Peiniger einzureichen. Ein nicht gerade einfacher Schritt, denn die Angehörigen der Maya-Ethnie Q’eqchí aus dem Verwaltungsbezirk Izabal können kein Spanisch und sind Analphabeten.
„Wir haben Ihnen genau erklärt, wie ein Prozess funktioniert, wer welche Funktion hat, und vor ein paar Wochen haben wir auch den Justizpalast besucht und sind dort Fahrstuhl gefahren“, erklärt Barrios. Ein Premiere für fast alle der Gruppe, die gut für den ersten Verhandlungstag vorbereitet sein müssten. Dann wird Richterin Jassmín Barrios Aguilar den Prozess eröffnen, der den Frauen ein Stück Würde zurückgeben soll.
Alle Frauen stammen aus der Region um die Kleinstadt Panzós im Grenzgebiet der beiden Verwaltungsbezirke Alta Verapaz und Izabal. Dort schlug das Militär 1978 einen friedlichen Bauernprotest im Interesse der Großgrundbesitzer nieder. Die Bauern wollten ihre Landansprüche geltend machen und gerieten dadurch in den Fokus der Militärs – auch die Q’eqchí-Bauern im Dorf Sepur Zarca.
Als Sexsklavinnen missbraucht
In dessen Nachbarschaft hatten die Militärs auf dem Land eines Großgrundbesitzers ein Lager errichtet, welches der Truppe zur Erholung dienen sollte. Dorthin wurden 1982 die 15 Frauen verschleppt, nachdem die Armee ihre Männer hatte gewaltsam verschwinden lassen. Mindestens ein halbes Jahr wurden die Frauen dort als Sexsklavinnen missbraucht. Sie mussten die Soldaten über Jahre bekochen und deren Kleidung waschen. „Es war an diesem Ort, wo die Soldaten meine Ehe zerstörten“, hat eine der Frauen zu Protokoll gegeben.
Die Aussagen der nunmehr 14 Frauen – mit Magdalena Pop ist eine der Sprecherinnen der Gruppe im Frühjahr 2013 gestorben – werden im Gerichtssaal nur auf Band zu hören sein. Eine erneute Aussage wollen Staatsanwaltschaft und Verteidigung den Frauen, von denen einige schon über 70 sind, ersparen.
14 Zeugen will Anwältin Paula Barrios aufrufen, um die Aussagen der Opfer zu untermauern – „darunter auch ein Kronzeuge aus der Armee“. Barrios hat 2008 „Frauen verändern die Welt“ in Guatemala gegründet und bietet mit ihrem Team vor allem indigenen Frauen, die Opfer sexueller Gewalt wurden, Hilfe an. Derzeit arbeitet die Organisation mit etwa einhundert Opfern; die Sepur-Zarco-Frauen bilden die homogenste und entschiedenste Gruppe. „Die Frauen wollen, dass so etwas ihren Töchtern nicht passieren kann, sie wollen, dass der Staat Schutzmechanismen einrichtet und dass die Täter verurteilt werden“, erklärt die Anwältin.
Vergewaltigung als Instrument zur Erniedrigung
Die Verantwortlichen, Oberst Esteelmer Reyes Girón und Kommissar Heriberto Valdés Asij, sitzen seit mehreren Monaten in Haft. Das ist für die 14 Frauen bereits ein Erfolg. Noch wichtiger als die Haftstrafe für die Täter ist ihnen, dass die Wahrheit ans Licht kommt und die Stigmatisierung in den Dörfern endet. Dort wird der Prozess verfolgt werden, denn Vergewaltigungen waren im guatemaltekischen Bürgerkrieg 1960 bis 1996 an der Tagesordnung und zählen auch heute zu den häufigsten Delikten.
„Sepur Zarco macht deutlich, dass die Armee die Vergewaltigung als Instrument nutzte, um den Gegner zu besiegen, zu erniedrigen“ erklärt Anwältin Barrios. Der Prozess könnte zu einem Meilenstein für die Region werden, denn Anklagen wegen Vergewaltigung gegen Militärs sind ungewöhnlich, und für ein Verbrechen, das 30 Jahre zurückliegt, umso mehr. Daher könnte ein Urteil im Sinne der Opfer regionale Bedeutung erlangen.
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