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Prozess gegen rasenden PolizistenBewährung nach tödlichem Unfall

Das Berliner Amtsgericht verurteilt einen Polizisten wegen fahrlässiger Tötung. Es kritisiert die Ermittlungen als chaotisch.

Totalschaden nach dem Unfall: Das vom Angeklagten gesteuerte Polizeifahrzeug Foto: dpa

Berlin dpa | Die Eltern kamen wieder ganz in Schwarz zum Prozess, sie stellten ein gerahmtes Foto ihrer Tochter im Gerichtssaal auf. Die 21-Jährige war am 29. Januar 2018 in der Nähe des Berliner Alexanderplatzes gestorben, als ein Polizeiwagen in ihr kleines Auto krachte. Sie hatte keine Chance.

Knapp drei Jahre nach dem tödlichen Crash hat das Amtsgericht Berlin-Tiergarten am späten Dienstagnachmittag einen Polizeihauptkommissar der fahrlässigen Tötung schuldig gesprochen. Verhängt wurde eine Haftstrafe von 14 Monaten auf Bewährung. Damit bleibt der Beamte auf freiem Fuß.

Die Eltern, die als Nebenkläger den Prozess verfolgten, saßen starr da. Sie hatten ein härteres Urteil gefordert – vier Jahre Haft. Für sie waren die Ermittlungen ein Justizskandal – unzureichend und fehlerhaft. Der Vater kämpfte mit den Tränen und sagte enttäuscht: „Wir haben gehofft, dass er wenigstens Gefängnis kriegt.“

Betrunken am Steuer?

Die Eltern sind bis heute überzeugt, dass der Beamte betrunken am Steuer saß. Doch genau dieser Vorwurf war nicht zum Prozess zugelassen worden. Die Staatsanwaltschaft hatte zunächst Gefährdung des Straßenverkehrs durch Alkohol am Steuer angeklagt. Das musste aber nach einem Gerichtsbeschluss fallengelassen werden, weil die beschlagnahmte Patientenakte des Polizisten nicht als Beweismittel verwendet werden durfte. Die Beschlagnahme sei rechtswidrig gewesen.

Der Beamte am Steuer des Funkstreifenwagens war mit Blaulicht, Signal und überhöhter Geschwindigkeit auf dem Weg zu einem Einsatz, als er den Wagen der jungen Frau rammte, die gerade einparken wollte. Laut Staatsanwaltschaft war der Polizist nach einer Tunnelausfahrt mit 130 Stundenkilometern unterwegs. Bei der Kollision wurde noch eine Geschwindigkeit von 93 Stundenkilometern festgestellt.

„Ein Einsatzbefehl rechtfertigt nicht alles“

Auf keinen Fall hätte der Polizist am Tage in der Berliner City so schnell fahren dürfen, urteilte Richter Sascha Daue. „Das geht gar nicht. Das ist absolut fahrlässig, eine grobe Sorgfaltspflichtverletzung. Ein Einsatzbefehl rechtfertigt nicht alles.“ Das Verhalten des Polizisten sei kausal für den tödlichen Unfall gewesen. Er hätte beim Tunnelausgang vom Gas gehen müssen.

Der Fall hatte hohe Wellen geschlagen – es stand der Verdacht im Raum, dass etwas vertuscht werden sollte. Die Polizei hatte direkt nach dem Unfall keinen Alkoholtest gemacht, der Beamte und sein Beifahrer waren rasch ins Krankenhaus gebracht worden. Die Behörden wiesen die Vorwürfe zurück. Polizeipräsidentin Barbara Slowik empfahl aber allen Beamten, bei schweren Unfällen freiwillig einen Atemalkoholtest zu machen, „um jedem Verdacht vorzubeugen“.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig

Die Ermittlungen der Polizei seien nicht optimal gewesen, sondern chaotisch, hieß es im Urteil. Das Gericht habe aber nicht festgestellt, dass etwas vertuscht werden sollte. Mit dem Strafmaß entsprach das Gericht exakt der Forderung der Staatsanwaltschaft. Es wurde damit gerechnet, dass das Urteil in die nächste Instanz geht. Sollte es rechtskräftig werden, würde der Polizist seinen Beamtenstatus verlieren.

Der hagere Angeklagte saß stets schweigend im Gerichtssaal, auch das Urteil nahm er fast regungslos entgegen. Einmal fehlte er im Prozess ohne Entschuldigung und erklärte später, er habe zu viele Medikamente genommen. Es soll im Internet Morddrohungen gegen ihn gegeben haben. Der Beamte bekam während des Prozesses Polizeischutz. Die mehrfache Bitte von Ermittlern, seine Patientenakte freizugeben, lehnte der Hauptkommissar ab.

Der Verteidiger, der einen Freispruch beantragt hatte, sagte, sein Mandant sei seit 32 Jahren Polizist mit Leibe und Seele. Der Unfall habe auch sein Leben einschneidend verändert. „Er ist ein psychisches Wrack.“ Zu Prozessbeginn hatte der Polizist seinen Anwalt erklären lassen, ihm gehe das „tragische, schreckliche Unfallgeschehen“ bis heute sehr nahe. Es tue ihm „sehr, sehr leid“.

Ein Zeuge hatte im Prozess den Unfallort als großes Trümmerfeld beschrieben. Und eine Zeugin erinnerte sich an den Polizeiwagen: „Ich dachte, oh mein Gott, das Auto hebt gleich ab.“

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