Prozess gegen Neonazi: Vermummt in Chemnitz
Die Neonazi-Gruppe „Revolution Chemnitz“ soll Anschläge geplant haben. Ihr mutmaßlicher Rädelsführer stand jetzt vor Gericht.
Seit vergangenem September sitzt Christian K. dort. Und die Vorwürfe, wegen denen er nun vor Gericht erscheint, sind dabei noch die geringsten: Er soll Teil der rechten Krawalldemos in Chemnitz gewesen sein, die im Sommer 2018 in der Stadt losbrachen, nachdem mutmaßlich zwei Geflüchtete einen 35-Jährigen erstachen. Christian K.s Pläne aber gingen offenbar noch weiter: Die Bundesanwaltschaft sieht ihn als Anführer des rechtsterroristischen „Revolution Chemnitz“, das Anschläge gegen Migranten und Politiker geplant habe. Nach taz-Informationen steht eine Anklage unmittelbar bevor.
Am Dienstag geht es vorerst nur um die Demonstrationen im August. Bis zu 8.000 Rechtsextreme und Bürger marschierten damals in Chemnitz auf, am Rande kam es zu Angriffen auf Migranten, Gegendemonstranten und Journalisten. Gut 120 Ermittlungsverfahren leitete die Justiz danach ein.
Christian K. soll an mindestens zwei Aufmärschen teilgenommen haben, jeweils schwarz gekleidet, mit einem Schal zur Vermummung, mit Schlagschutzhandschuhen, Stichschutzweste und Zahnschutz – eine „Schutzbewaffnung“, wie die Anklage festhält, ein Verstoß gegen das Versammlungsgesetz.
Keine Handschuhe, kein Zahnschutz
Nun ist sein Auftritt ein anderer. Im Polohemd und kurzer Karohose sitzt Christian K. im Gericht, die Haare akkurat gescheitelt. Bereitwillig gibt er dem Richter Auskunft. Er sei zuletzt ohne festen Wohnsitz gewesen, habe als Sicherheitsmann gearbeitet, erzählt er. Und ja, er sei auf den Demos gewesen. Aber er habe keine Handschuhe und keinen Zahnschutz getragen. Und die Weste nur ohne „Protektoren“, weil er wisse, dass das sonst auf Demos verboten sei.
Warum überhaupt die Weste? Christian K. eiert herum. „Aus Protest“, sagt er. Aber auch, dass er sich eben um seine Sicherheit sorge. Er trage die Weste öfter, weil es auch anderenorts in Chemnitz nicht sicher sein. Vor der zweiten Demo sei er aber eigentlich auf dem Weg nach Hause gewesen, um die Weste noch auszuziehen.
Das Gericht schaut sich Videos von einem der Aufzüge an. „Widerstand, Widerstand“, skandiert die Masse. „Wir sind das Volk.“ Christian K. aber bestreitet, der Vermummte auf einem der Bilder zu sein. Der Richter verweist auf die Brille, den Haaransatz – der 31-Jährige bleibt dennoch dabei. Das Gericht beantragt darauf, ein Gutachten einzuholen. Der Prozess wird ausgesetzt.
Der Plan: Die „Systemwende“
Demnächst dürfte nun ein Terrorprozess folgen. Schon vor Jahren hatte sich Christian K. im Umfeld der rechtsextremen Kameradschaft „Sturm 34“ bewegt, mit ihr soll er 2006 die Wohnung eines Chemnitzers angegriffen haben. Nun soll er mit sieben weiteren Rechtsextremen „Revolution Chemnitz“ gegründet haben. In internen Chats war die Rede von Anschlägen, mit denen man eine „Systemwende“ schaffen werde. Dagegen sei der NSU eine „Kindergartenvorschulgruppe“, tönte Christian K. Die Neonazis waren bereits auf der Suche nach Schusswaffen.
Einen „Probelauf“ unternahmen sie schon Mitte September: Auf der Schlossteichinsel in Chemnitz „kontrollierten“ und bedrängten sie Migranten, einem Iraner warfen sie eine Flasche an den Kopf. Christian K. wurde bereits damals festgenommen – und sitzt seitdem in Haft. Den Rest der Gruppe nahm die Bundesanwaltschaft Anfang Oktober 2018 hoch.
Der Verteidiger von Christian K. weist am Dienstag die Terrorvorwürfe zurück: Die Beweise seien „ziemlich dünne“. Die Bundesanwaltschaft sieht es anders. Für sie waren die Anschlagspläne real – und Christian K. hatte die „zentrale Führungsposition“ inne.
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