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Prozess gegen Ex-Präsidenten WulffStaatsanwaltschaft gibt nicht auf

Der Freispruch von Christian Wulff ist noch nicht rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft legt Revision ein. Die Verteidigung gibt sich betont gelassen.

Noch immer nicht ganz befreit: Ex-Bundespräsident Christian Wulff. Bild: dpa

HANNOVER dpa | Die Staatsanwaltschaft Hannover hat Revision gegen den Freispruch von Ex-Bundespräsident Christian Wulff eingelegt. Sie reichte ihren Antrag am Mittwoch beim Landgericht Hannover ein. Eine inhaltliche Begründung für die Revision legte die Anklagebehörde zunächst nicht vor.

Erst nachdem das Gericht die schriftliche Urteilsbegründung zugestellt hat, muss die Staatsanwaltschaft die Begründung nachliefern. Die Behörde könnte die Revision dann aber auch wieder zurückziehen, wenn sie die Gründe für den Freispruch Wulffs durch die 2. Große Strafkammer doch noch für völlig überzeugend halten sollte.

Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft sagte: „Das Gericht hat bei der mündlichen Urteilsverkündung zwar eine Begründung geliefert, aber wir halten sie inhaltlich für falsch.“ Ob der Korruptionsprozess gegen Wulff nun erneut aufgerollt werden muss, muss am Ende der Bundesgerichtshofes in Karlsruhe entscheiden. Damit eine Revision Erfolg hat, müssen dem Gericht Verfahrensfehler nachgewiesen werden.

Wulff war am vergangenen Donnerstag vom Landgericht Hannover freigesprochen worden. Die Staatsanwaltschaft hatte ihm zur Last gelegt, als niedersächsischer Ministerpräsident Vorteile im Amt angenommen zu haben. Es ging um rund 720 Euro Hotel- und Bewirtungskosten. Von dem Filmfinancier David Groenewold hatte Wulff sich 2008 zu einem Oktoberfestbesuch einladen lassen und später für ein Projekt Groenewolds bei Siemens geworben.

Der Filmfinancier musste sich wegen Vorteilsgewährung verantworten, die Revision bezieht sich auch auf seinen Freispruch. Beide Männer hatten die Einladung mit ihrer Freundschaft begründet. Zudem betonte Wulff, von der Teilübernahme der Hotelkosten zunächst nichts gewusst zu haben.

Die Revision hatte sich in Hannover bereits vor der Urteilsverkündung im Plädoyer von Oberstaatsanwalt Clemens Eimterbäumer angedeutet. „Das Gericht hat die vorliegenden Erkenntnisquellen nicht ausgeschöpft“, sagte er. Weitere Zeugen müssen gehört sowie Aktenvermerke und Mails gewürdigt werden. Ursprünglich hatte der Prozess bis April dauern sollen.

Wulffs Verteidiger reagierten auf den Revisionsantrag gelassen. „Die Staatsanwaltschaft hatte bereits vor Monaten angekündigt, rechts- und fristwahrend Revision zur Überprüfung des Urteils einzulegen“, teilten die Anwälte Bernd Müssig und Michael Nagel mit. Aus ihrer Sicht hat eine Revision keine Chance auf Erfolg.

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7 Kommentare

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  • L
    Lowandorder

    Mottenpsray verlegt? 2.0

     

    Man wird sehen,sagte der Blinde

     

    wenn das recht mitzubekommen war,

    hat das Gericht von der StA während des Prozesse angebotene Beweismittel nicht

    (mehr) in den Prozess eingeführt;

    weil "zu spät/verspätet" angeführt;

    (während die StA vorgebracht hat, die seien erst dann "aufgetaucht";)

     

    solches wasserdicht d.h.

    revisionsfest zu machen,

    dürfte nicht leicht sein.

     

    Man darf also weiterhin gespannt sein.

  • gemach gemach. das gericht ist ja auch nicht blöde und wird sein bestes geben, die urteilsgründe revisionssicher zu formulieren.

  • M
    Marcus

    Davon Abgesehen das ich die Revision in diesem Fall genausso lächerlich finde Wie meine Vorrednr, sei darauf hingewiesen dass es hier nicht um eine Streitwert von einigen Hundert Euro geht. Die Anklage lautet auf Vorteisnahme/ -gewährunfg im Amt. Es geht also um ein Dienstvergehen eine hohen Beamten (Ministerpräsident). Als solches ist es unabhängig vom Geldwert ein schweres Delikt. Ähnlich wie es bei einen Prozess wegen Raubmord nur nebensächlich um den Wert der Beute geht. Zugegebn das Beispiel hinkt, da Mord unvergleichlich schlimmer ist als Bestechung. Aber Bestechung ist viel schwerwiegender als simpler Dibstahl da sie das Vertrauen in die Intitutuion untergräbt.

    • 7G
      774 (Profil gelöscht)
      @Marcus:

      Ich fände es auch schlimm, wenn sich ein Bundespräsident für 700,-- Euro bestechen lassen würde. Das macht echt die Preise kaputt.

  • 7G
    774 (Profil gelöscht)

    700 Euro Streitwert. Anwalts- und Gerichtskosten schätzungsweise 20x soviel. Seine Anwaltskosten bekommt Wulff trotz Freispruch nur um den Satz eines Pflichtverteidigers erstattet. Die deutsche Justiz: Nichts als ein schlechter Witz.

  • D
    desillusionist

    Ich fass es nicht. Was sind das für Staatsanwälte? Profilneurotiker? Irre? Haben die wirklich nichts Besseres zu tun? Haben wir keine Gewaltdelikte, Schwerst- und Wirtschaftskriminalität in diesem Land, die einer juristischen Behandlung dringend bedürfen?

     

    Die Justiz jammert oft und gerne, sie komme durch fehlendes Personal nicht dazu sich mit ihren Aufgaben zu befassen. Aber für einen Geldwert von 720 Euro in die Revision zu gehen, dafür gibt es genug Personal und Zeit?

    • J
      JadotA
      @desillusionist:

      Wiederum werden andere fristlos entlassen für 1,30€ nach 31 Jahren bei Kaiser‘s.

      Es fällt mir schwer für ein Luxusrentner eine Unze Mitleid zu haben und eine Sonderjustiz für ihn zu fordern.

      -

      Meine Rente beträgt 1050 und die TK z.B. macht mir Terror für eine Nachzahlung von 2,01€ in 2013 vom Ausland. Ich soll ernsthaft Beweise liefern (Zahlungsankündigung und Bankauszug schicken), damit die Techniker kranke Bankenkasse von diesem Vermögen auch profitiert.

      Zur Erinnerung, die Kranke Kasse orten 3,7 Milliarden Reserven und Herr Wulff bessert seine Rente mit einem Nebenjob, als R.A., hoffentlich für Wirtschaftskriminalität, ein Fach, wo er sich scheinbar auskennt.