Prozess gegen Bo Xilai: Der Fall polarisiert China
Auch nach der Gerichtsverhandlung hält Chinas gestürzter Politstar Bo Xilai das Land in Atem. In Peking protestieren Bo-Gegner – und werden sofort festgenommen.
PEKING dpa | Der Prozess gegen den einst mächtigen Politstar Bo Xilai polarisiert China. Demonstranten haben in Peking dem gestürzten Spitzenfunktionär schweres Unrecht vorgeworfen und den Prozess gegen ihn als zu lasch kritisiert.
Trotz der Gerichtsverhandlung gegen den ehemaligen Parteichef der 30-Millionen-Metropole Chongqing seien dessen Verbrechen in der zentralchinesischen Stadt nicht gesühnt worden, kritisierten die rund 15 Demonstranten am Montag.
Bo habe stets behauptet, er kämpfe in Chongqing gegen die Mafia, er selbst habe aber ein viel schlimmeres Machtsystem aufgebaut, hieß es. Viele Menschen seien von Bos Sicherheitsleuten misshandelt worden, mahnten die Demonstranten vor der US-amerikanischen Botschaft in Peking, bevor sie von Sicherheitsleuten weggezerrt wurden.
Zum Beginn der Verhandlungen gegen den ehemaligen Top-Funktionär vor knapp zwei Wochen reisten Dutzende Unterstützer aus weit entfernten Teilen Chinas zum Gericht in der ostchinesischen Stadt Jinan. Sie lobten Bo für seine Anlehnung an Mao Tse-tung und seine Wohlfahrtsprogramme. Kritiker warfen Bo hingegen Populismus vor, und bezeichneten eine Kampagnen im Stile der Kulturrevolution als gefährliche Versuche, nach Unterstützern am linken Rand zu fischen.
„Terrorregime“
Die Protestierenden in Peking mahnten, dass trotz Bos Sturz Anfang vergangenen Jahres seine Verbrechen in Chongqing nicht aufbereitet würden. Im Gericht seien lediglich sehr spezielle Korruptionsvorwürfe verhandelt worden. Aber sein „Terrorregime“ in Chongqing sei nicht thematisiert worden. Die Demonstranten hielten Fotos von blutüberströmten Menschen in die Luft, die angeblich Opfer von Bo Xilai zeigten.
Der ehemalige Handelsminister Bo Xilai galt als aussichtsreicher Kandidat für Chinas engste Führungszirkel bevor vergangenes Jahr der Skandal um ihn ins Rollen kam. Die Staatsanwaltschaft hat zum Ende der Verhandlung vor rund einer Woche ein hartes Urteil gegen Bo gefordert.
Ihm wird Korruption, Unterschlagung und Machtmissbrauch vorgeworfen. Auf Korruption und Unterschlagung steht in China im schlimmsten Fall die Todesstrafe. Machtmissbrauch wird in der Regel mit langer Haft geahndet. Ein Urteil ist noch nicht veröffentlich worden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestellerautor will in den Bundestag
Nukleare Drohungen
Angst ist ein lautes Gefühl
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland