Prozess gegen Bayern-Präsident: Encyclopedia Hoenessiana
Ulrich H. steht wegen Steuerhinterziehung vor Gericht. Alle Fakten zum Prozess von A wie Adidas über K wie Kapitalertragssteuer bis Z wie Zocker.
Adidas: Mit dem Geld des ehemaligen Chefs des Sportarktikelherstellers hat alles angefangen. So hat es Ulrich H. erzählt. Fünf Millionen Euro habe ihm Robert-Louis Dreyfus im Jahr 2000 geliehen. Für 15 weitere Millionen habe er gebürgt. Das Geld bildete die Grundlage für die Börsenspekulationen, deren Erträge H. nicht versteuert hat. Als Dreyfus H. das Geld lieh, verhandelte der FC Bayern München gerade über einen neuen Ausrüstervertrag. Obwohl Nike ein höheres Angebot vorgelegt hatte, entschied sich der FC Bayern für Adidas.
Bulle, der: Das Rind gilt in der Welt der Börsenspekulanten als das Symbol für eine Hausse, während der Bär für die Baisse steht. Im Boden des Swimmingpools auf dem Anwesen der Familie H. ist ein Bild von Bulle und Bär eingelassen.
Compliance, die: Um Imageschäden vorzubeugen, geben sich Aktiengesellschaften Regeln, die es ihnen gebieten, leitende Mitarbeiter, die verdächtigt werden, unrechtmäßig gehandelt zu haben, zu suspendieren. Ulrich. H. ist nach wie vor Aufsichtsratsvorsitzender der FC Bayern München AG.
Durchsuchung, die: Das Haus der Familie H. am Tegernsee wurde am 20. März 2013 durchsucht. Dabei präsentierten die Ermittler H. einen Haftbefehl. Der wurde gegen die Zahlung einer Kaution in Höhe von fünf Millionen Euro außer Vollzug gesetzt.
Enthüllung, die: Der Stern hat am 16. Januar um 11.40 Uhr in seiner Onlineausgabe über ein „geheimes Fußballkonto in der Schweiz“ berichtet, auf dem bis zu 500.000.000 Euro lagen. Dass es sich um das Konto von H. handelte, wusste der Stern da noch nicht. Am Abend desselben Tages begann H., seine Selbstanzeige zusammenzuschrauben.
Feigen, Hanns W.: Der Verteidiger von H. wird von der deutschen Wirtschaftselite gerne bemüht. Zu seinen Mandanten zählen Deutsche-Bank-Chef Jürgen Fitschen und der ehemalige Porsche-Boss Wendelin Wiedeking. Vor fünf Jahren hat er den ehemaligen Chef der Deutschen Post, Klaus Zumwinkel, vertreten. Dieser war wegen Steuerhinterziehung angeklagt und ist zu zwei Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden.
Geheimnis, das: H. beklagt die Verletzung des Steuergeheimnisses. Als der Stern einen Auszug aus seiner Steuerakte veröffentlichte, stellte er Strafanzeige. Daraufhin ließ die Staatsanwaltschaft München I bayerische Finanzbehörden durchsuchen.
Heindl, Rupert: Die Bild-Zeitung hat den 46-jährigen Richter als „knallhart“ bezeichnet. Verfahrensabkürzende Deals lehnt er ab. Im vergangenen Jahr verurteilte er einen Unternehmer, der eine Million Euro Steuern hinterzogen hatte, zu einer Haftstrafe von mehr als fünf Jahren. Nach vier Verhandlungstagen will er am Donnerstag über H. richten.
Instanz, die moralische: „Ich weiß, dass das doof ist. Aber ich zahle volle Steuern.“ Für solche Sätze wurde H. gefeiert und hätte es um ein Haar auf die Landesliste der CSU für die Landtagswahlen 2013 gebracht.
Jahreshauptversammlung, die: Im November 2013 stellte sich der Präsident des FC Bayern München den Mitgliedern des Vereins. Er ließ sich feiern und war von den Sympathiebekundungen der Mitglieder derart gerührt, dass er weinen musste. Am Ende rief er den Fans zu: „Ich vertraue auf die bayerische Justiz und bin davon überzeugt, einen fairen Prozess zu bekommen.“
Kapitalertragsteuer, die: 3,5 Millionen Euro soll H. nach Informationen der Süddeutschen Zeitung dem Fiskus vorenthalten haben. Das lässt auf Erlöse aus Börsengeschäften zwischen 2003 und 2009 von 30 Millionen Euro schließen.
Lebensleistung, die: „Wir begrüßen den Präsidenten der Weltmarke FC Bayern München“, sagte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer im August bei einem Empfang für das Team vor der Bayerischen Staatskanzlei. 18 Meisterschaften, elf Pokalsiege, zwei Champions-League-Titel hat der FC Bayern unter der Regentschaft von H. geholt. Nebenbei hat er eine Wurstfabrik in Franken aufgebaut.
Merkel, Angela: Am 15. Januar, zwei Tage bevor die Selbstanzeige von H. beim Finanzamt Rosenheim einging, traf sich H. zum Essen mit der Bundeskanzlerin, die sich lange Zeit gerne mit dem Sportfunktionär in der Öffentlichkeit zeigte. Nachdem der Steuerfall H. publik geworden war, distanzierte sie sich via Regierungssprecher Steffen Seibert vom Bayern-Präsidenten: „Viele Menschen sind jetzt enttäuscht von Uli Hoeneß, die Bundeskanzlerin zählt auch zu diesen Menschen“, sagte Seibert.
Nacht, die: Am Abend des 16. Januar soll sich H. mit einem Steuerfahnder in Altersteilzeit, zwei Steuerberatern und seinem Sohn Florian zusammengesetzt und versucht haben, von seiner Bank die notwendigen Unterlagen für eine Selbstanzeige zu organisieren. Um zwei Uhr morgens sollen diese per E-Mail eingetroffen sein. Florian H. hat die Selbstanzeige dann in aller Herrgottsfrüh beim Finanzamt Rosenheim abgegeben.
Opfer, das: Es gebe einen „riesigen Prominentenmalus, weil ich der Einzige bin aus über 70.000 Selbstanzeigen, der in epischer Breite in der Öffentlichkeit dargestellt wurde“, sagte H. im Dezember des vergangenen Jahres.
Pager, der: Auf dem gesäßtaschengroßen Empfangsgerät lassen sich aktuelle Aktien- und Rohstoffpreise ablesen. H. soll jahrelang nicht ohne das kleine Gerät aus dem Haus gegangen sein.
Quote, die: Bevor Uli Hoeneß zu Ulrich H. wurde, war er gern gesehener Gast in deutschen Fernseh-Talkshows.
Reue, die: H. bei einem Fanklubtreffen in Aalen im Januar: „Ich möchte mich nicht zum Heiligen machen, jeder weiß, dass ich einen Riesenfehler gemacht habe. Aber ich glaube nicht, dass ich deswegen ein schlechter Mensch geworden bin.“
Selbstanzeige, die: Uli H. setzt in seinem Prozess darauf, dass die von ihm verfasste Selbstanzeige gültig und somit strafbefreiend wirkt. Die Staatsanwaltschaft bezweifelt, dass H. von sich aus reinen Tisch machen wollte, und geht davon aus, dass die Selbstanzeige wegen ihrer Fehlerhaftigkeit nicht einmal strafmildernd wirkt.
Telekom: Der Konzern ist Hauptsponsor des FC Bayern München und in Person von Finanzvorstand Timotheus Höttges im Aufsichtsrat der Fußballfirma vertreten. Die Tageszeitung Welt berichtet über einen anonymen Hinweisgeber, der behauptet, dass rund um Vertragsverlängerungen mit dem Sponsor T-Aktien auf einem Schweizer Konto von H. verbucht worden sind.
Umsatz, der: 393,9 Millionen Euro hat die FC Bayern München AG im Geschäftsjahr 2012/13 umgesetzt. Der Gewinn lag bei 14 Millionen Euro. Als H. 1979 Manager wurde, setzte der Klub zwölf Millionen Mark um und hatte sieben Millionen Mark Schulden.
Vontobel: Schweizer Bank mit Sitz in Zürich. Hier führte H. ein Konto, bei dem seit 2000 über 33.000 Kontobewegungen registriert worden sind.
Wohltätigkeit, die: Uli H. gilt als sozialer Mensch. Etliche gemeinnützige Vereine werden von ihm unterstützt. Besonders intensiv ist sein Engagement für die Dominik-Brunner-Stiftung, die sich für sozial benachteiligte Jugendliche und Opfer von Verbrechen kümmert.
Zocker, der: In einem Interview, das im Mai 2012 in der Wochenzeitung Die Zeit erschienen ist, inszenierte sich H. als spielsüchtig. „In den Jahren 2002 bis 2006 habe ich richtig gezockt, ich habe teilweise Tag und Nacht gehandelt. Das war der Kick, das pure Adrenalin“, sagte er.
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