piwik no script img

Protestplanung gegen TTIPWem geht zuerst die Puste aus?

Nächste Großdemo am 23. April, Aktionstag am 5. November, Kongress: 500 TTIP-Gegner beschließen in Kassel, den Druck aufrechtzuerhalten.

Aktivist_innen sehen TTIP als Trojanisches Pferd Foto: Anja Krüger

Kassel taz | Die Stopp-TTIP-Bewegung will mit dezentralen Demonstrationen den Druck auf die VerhandlerInnen des Freihandelsabkommens zwischen den USA und der EU erhöhen. Das hat die Aktions- und Strategiekonferenz der Stopp-TTIP-Bewegung in Kassel beschlossen. Der nächste Schritt soll eine Demonstration am 23. April in Hannover sein - einen Tag, bevor US-Präsident Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel die Industriemesse in der niedersächsischen Landeshauptstadt gemeinsam eröffnen werden. Für den Herbst planen die FreihandelsgegnerInnen fünf regionale Demonstrationen an zentralen Orten.

Von Freitag bis Samstag berieten in Kassel rund 500 AktivistInnen, wie es mit der Bewegung weitergehen soll. Die USA und die EU wollen mit dem Freihandelsabkommen den mit 800 Millionen VerbraucherInnen größten Wirtschaftsraum der Welt schaffen. Die Verhandlungen verlaufen allerdings schleppend und stehen wegen der US-Präsidentschaftswahlen im November unter Zeitdruck.

Den GegnerInnen des Wirtschaftspakts ist es seit dem Start der Verhandlungen 2013 gelungen, Massenproteste gegen TTIP zu mobilisieren. Vorläufiger Höhepunkt war die Großdemonstration im vergangenen Oktober in Berlin, zu der mehr als 200.000 TeilnehmerInnen kamen. Mehr als drei Millionen Menschen haben die europäische Bürgerinitiative gegen TTIP unterschrieben.

„Jedes Jahr eine noch größere Demo, noch mehr Unterschriften - das geht wahrscheinlich nicht“, eröffnete Jürgen Maier vom Forum Umwelt und Entwicklung, das Teil des Anti-TTIP-Bündnisses ist, die Diskussion über die künftige Strategie. „Die Frage ist, wem geht zuerst die Puste aus: der Bürokratie oder der Bewegung?“, fragte Maier keineswegs rhetorisch.

Mit Holzpferd gegen TTIP

Die FreihandelsgegnerInnen sind fest entschlossen, den längeren Atem zu haben. In zahlreichen Workshops und an Infoständen fachsimpelten sie, wie sie mehr MitstreiterInnen gewinnen können. AktivistInnen im bayrischen Anspach verteilen Teebeutel, in Bielefeld tanzen sie Tango gegen TTIP, in Leipzig bauen sie Mauern aus Kartons, im Hunsrück haben sie aus Sperrholz ein Trojanisches Pferd gebaut und geben die Baupläne gerne an Interessierte weiter. Wer nicht selbst bauen will, kann sich ein großes Massivholzpferd bei Werner Fleig in Ludwigshafen ausleihen - er hatte es vor das Konferenzgebäude gestellt und seine Telefonnummer auf ein Plakat daneben geschrieben.

Den FreihandelsgegnerInnen ist klar, dass immer mehr Aktiönchen, verteilte Flugblätter und fröhliche Happenings alleine das Abkommen nicht verhindern werden. „Wir müssen breiter und inhaltlich tiefer werden“, forderte Pia Eberhardt von der NGO Corporate Europe Observatory. Sie plädiert für eine stärker europäisch ausgerichtete Perspektive.

Die Gewerkschaften in Nordeuropa etwa seien anders als die deutschen für TTIP. „Das macht es den deutschen Vertretern schwer, ihre Position im europäischen Gewerkschaftsrat durchzusetzen.“ Dass die deutschen AktivistInnen stark kommunal engagiert seien und Druck auf die Bundestagsparteien ausübten, sei „großartig“. Aber sie dürften die europäische Ebene nicht aus den Augen verlieren, warnte Eberhardt.

Zu wenig Protest auf EU-Ebene

Obwohl der Protest gegen TTIP in Deutschland am größten sei, hätten nur sehr wenige der deutschen sozialdemokratischen Abgeordneten im Europäischen Parlament gegen TTIP gestimmt. „Es ist uns nicht gelungen, den Druck auf die europäische Ebene weiterzugeben“, sagte Eberhardt. Etwa in Österreich und Großbritannien sei das aber gelungen. „Wir haben unsere Hausaufgaben nicht gemacht“.

Auch ohne die Stopp-TTIP-Bewegung seien die Verhandlungen zwischen den USA und der EU sehr schwer, beide Seiten müssten eine Menge Federn lassen. „Unser Job ist, jede Feder bekannt zu machen“, sagte sie. „Unsere Aufgabe ist, den Preis für politische Kompromisse in die Höhe zu treiben.

Im Laufe dieses Jahres soll das TTIP-Schwesterabkommen Ceta verabschiedet werden, das die EU und Kanada bereits ausverhandelt haben. „Unser politisches Ziel für 2016 ist, das zu verhindern“, sagte Maritta Strasser von der Kampagnenorganisation Campact. Aktionen dazu stehen noch nicht fest, „weil nicht klar ist, was unsere GegnerInnen planen“, sagte sie. „Wir müssen nicht nur aktiv, sondern auch reaktiv sein.“ Jetzt gehe es darum, weiter in Ruhe Strukturen und Netzwerke aufzubauen. „Wenn die Entscheidung ansteht, müssen wir hellwach und vor Ort sein.“

Aktionstag 5. November

Neben den Demonstrationen in Hannover und an fünf weiteren Orten plant das Bündnis außerdem einen großen Kongress zu den Möglichkeiten einer anderen Wirtschafts- und Handelspolitik. „Wir wollen nicht stehenbleiben bei unserer Kritik, sondern auch Alternativen entwickeln“, sagte der ehemalige grüne Wirtschaftsstaatssekretär in Rheinland-Pfalz Ernst-Christoph Stolper, der den BUND im Stopp-TTIP-Bündnis vertritt. Der Kongress soll Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres stattfinden. „Es wird auch darum gehen, mit Blick auf die Bundestagswahlen klare Forderungen zu formulieren“, sagte er.

In der vergangenen Woche hat in Brüssel die 12. TTIP-Verhandlungsrunde stattgefunden. Parallel dazu haben auch VertreterInnen des europäischen Stopp-TTIP-Netzwerkes in der belgischen Hauptstadt über weitere Schritte gegen den Pakt beraten. Sie haben den 5. November 2016 zum internationalen Aktionstag gegen TTIP ausgerufen, wenige Tage vor der Präsidentschaftswahl in den USA.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Deswegen zum Beispiel (siehe unten). Ist es übertrieben? Ist es wahr? Man weiß es nicht, es ist ja Geheim. Zugänglich nur für ein paar Auserwählte, nur in Papierform (damit nur schwer durchsuchbar), und darüber Reden dürfen die Auserwählten auch nicht.

     

    Lautet jetzt der Vorwurf dass ich einfach pauschal gegen alles sei, obwohl ich gar nicht so genau weiß gegen was eigentlich? Genau das ist ja das Problem.

     

    http://www.heise.de/forum/heise-online/News-Kommentare/EU-und-USA-wollen-TTIP-Verhandlungen-beschleunigen/Leseraum-mit-Schweigepflicht-Obama-kommt-nun-zur-Hannovermesse/posting-24583559/show/

     

    "

    Was den Bürgern in Europa derzeit auch nicht oder kaum berichtet wird:

    TTIP bezieht nicht die US-Bundesstaaten mit ein und dies wollen die meisten oder fast alle US-Bundesstaaten auch so, um weiterhin "buy american" zu nutzen und und und

    Und die US-Verhandlungsführer für TTIP haben auch gar nicht das Mandat für die US-Bundesstaaten zu sprechen und zu verhandeln.

    Interessant ist auch, dass das Öffentliche Auftragswesen in den USA von TTIP komplett ausgenommen ist. Jedoch ist das Öffentliche Auftragswesen in Europa Teil von TTIP !

    "

    • @Milchpreis:

      Das sollte eine Antwort auf "Didelidum" werden, auf die Frage warum am das Abkommen verhindern sollte.

  • und warum sollen diese Abkommen verhindert werden? Kein Wort dazu....

    • @Dideldidum:

      Ist ja – leider – alles geheim. Mangel an Demokratie und Transparenz, so die Kritik, die mehr-demokratie.de einbringt. Dass bei euch noch Proteste im Vordergrund stehen hat – kurz gesagt – mit noch nicht entwickelten Demokratie zu tun.

      • @vjr:

        Ergänzung: Dass euch bloss Proteste bleiben, ihr noch nicht mitgestalten, mitentscheiden dürft, hat – kurz gesagt – mit noch nicht entwickelten Demokratie zu tun.