Protestplanung gegen TTIP: Wem geht zuerst die Puste aus?
Nächste Großdemo am 23. April, Aktionstag am 5. November, Kongress: 500 TTIP-Gegner beschließen in Kassel, den Druck aufrechtzuerhalten.
Von Freitag bis Samstag berieten in Kassel rund 500 AktivistInnen, wie es mit der Bewegung weitergehen soll. Die USA und die EU wollen mit dem Freihandelsabkommen den mit 800 Millionen VerbraucherInnen größten Wirtschaftsraum der Welt schaffen. Die Verhandlungen verlaufen allerdings schleppend und stehen wegen der US-Präsidentschaftswahlen im November unter Zeitdruck.
Den GegnerInnen des Wirtschaftspakts ist es seit dem Start der Verhandlungen 2013 gelungen, Massenproteste gegen TTIP zu mobilisieren. Vorläufiger Höhepunkt war die Großdemonstration im vergangenen Oktober in Berlin, zu der mehr als 200.000 TeilnehmerInnen kamen. Mehr als drei Millionen Menschen haben die europäische Bürgerinitiative gegen TTIP unterschrieben.
„Jedes Jahr eine noch größere Demo, noch mehr Unterschriften - das geht wahrscheinlich nicht“, eröffnete Jürgen Maier vom Forum Umwelt und Entwicklung, das Teil des Anti-TTIP-Bündnisses ist, die Diskussion über die künftige Strategie. „Die Frage ist, wem geht zuerst die Puste aus: der Bürokratie oder der Bewegung?“, fragte Maier keineswegs rhetorisch.
Mit Holzpferd gegen TTIP
Die FreihandelsgegnerInnen sind fest entschlossen, den längeren Atem zu haben. In zahlreichen Workshops und an Infoständen fachsimpelten sie, wie sie mehr MitstreiterInnen gewinnen können. AktivistInnen im bayrischen Anspach verteilen Teebeutel, in Bielefeld tanzen sie Tango gegen TTIP, in Leipzig bauen sie Mauern aus Kartons, im Hunsrück haben sie aus Sperrholz ein Trojanisches Pferd gebaut und geben die Baupläne gerne an Interessierte weiter. Wer nicht selbst bauen will, kann sich ein großes Massivholzpferd bei Werner Fleig in Ludwigshafen ausleihen - er hatte es vor das Konferenzgebäude gestellt und seine Telefonnummer auf ein Plakat daneben geschrieben.
Den FreihandelsgegnerInnen ist klar, dass immer mehr Aktiönchen, verteilte Flugblätter und fröhliche Happenings alleine das Abkommen nicht verhindern werden. „Wir müssen breiter und inhaltlich tiefer werden“, forderte Pia Eberhardt von der NGO Corporate Europe Observatory. Sie plädiert für eine stärker europäisch ausgerichtete Perspektive.
Die Gewerkschaften in Nordeuropa etwa seien anders als die deutschen für TTIP. „Das macht es den deutschen Vertretern schwer, ihre Position im europäischen Gewerkschaftsrat durchzusetzen.“ Dass die deutschen AktivistInnen stark kommunal engagiert seien und Druck auf die Bundestagsparteien ausübten, sei „großartig“. Aber sie dürften die europäische Ebene nicht aus den Augen verlieren, warnte Eberhardt.
Zu wenig Protest auf EU-Ebene
Obwohl der Protest gegen TTIP in Deutschland am größten sei, hätten nur sehr wenige der deutschen sozialdemokratischen Abgeordneten im Europäischen Parlament gegen TTIP gestimmt. „Es ist uns nicht gelungen, den Druck auf die europäische Ebene weiterzugeben“, sagte Eberhardt. Etwa in Österreich und Großbritannien sei das aber gelungen. „Wir haben unsere Hausaufgaben nicht gemacht“.
Auch ohne die Stopp-TTIP-Bewegung seien die Verhandlungen zwischen den USA und der EU sehr schwer, beide Seiten müssten eine Menge Federn lassen. „Unser Job ist, jede Feder bekannt zu machen“, sagte sie. „Unsere Aufgabe ist, den Preis für politische Kompromisse in die Höhe zu treiben.
Im Laufe dieses Jahres soll das TTIP-Schwesterabkommen Ceta verabschiedet werden, das die EU und Kanada bereits ausverhandelt haben. „Unser politisches Ziel für 2016 ist, das zu verhindern“, sagte Maritta Strasser von der Kampagnenorganisation Campact. Aktionen dazu stehen noch nicht fest, „weil nicht klar ist, was unsere GegnerInnen planen“, sagte sie. „Wir müssen nicht nur aktiv, sondern auch reaktiv sein.“ Jetzt gehe es darum, weiter in Ruhe Strukturen und Netzwerke aufzubauen. „Wenn die Entscheidung ansteht, müssen wir hellwach und vor Ort sein.“
Aktionstag 5. November
Neben den Demonstrationen in Hannover und an fünf weiteren Orten plant das Bündnis außerdem einen großen Kongress zu den Möglichkeiten einer anderen Wirtschafts- und Handelspolitik. „Wir wollen nicht stehenbleiben bei unserer Kritik, sondern auch Alternativen entwickeln“, sagte der ehemalige grüne Wirtschaftsstaatssekretär in Rheinland-Pfalz Ernst-Christoph Stolper, der den BUND im Stopp-TTIP-Bündnis vertritt. Der Kongress soll Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres stattfinden. „Es wird auch darum gehen, mit Blick auf die Bundestagswahlen klare Forderungen zu formulieren“, sagte er.
In der vergangenen Woche hat in Brüssel die 12. TTIP-Verhandlungsrunde stattgefunden. Parallel dazu haben auch VertreterInnen des europäischen Stopp-TTIP-Netzwerkes in der belgischen Hauptstadt über weitere Schritte gegen den Pakt beraten. Sie haben den 5. November 2016 zum internationalen Aktionstag gegen TTIP ausgerufen, wenige Tage vor der Präsidentschaftswahl in den USA.
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