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Protestmarsch in VenezuelaKräftemessen in Caracas

Immense Inflation, Schlangestehen für Lebensmittel: Hunderttausende sind in Venezuela für die Absetzung Maduros auf die Straße gegangen.

Fordern ein baldiges Referendum über die Amtsenthebung: Maduro-Gegner am Donnerstag in Caracas. Foto: reuters

Buenos Aires taz | Am Donnerstag gingen Hunderttausende zur „Toma de Caracas“ auf die Straße. Die Opposition hatte zur „Einnahme von Caracas“ aufgerufen, wichtige Straßen der Hauptstadt wurden blockiert. Unmittelbar nach Beginn der Aktion gab es erste Berichte über den Einsatz von Tränengas durch die Sicherheitskräfte gegen oppositionelle Demonstranten.

Im Gegenzug rief Präsident Nicolás Maduro die Bevölkerung zur „Toma de Venezuela“, zur „Einnahme von Venezuela“, um den „geplanten Staatsstreich der faschistischen Opposition“ zu verhindern und die Revolution und den Frieden zu verteidigen.

Schon am frühen Donnerstagmorgen hatten sich zahlreiche Menschen auf den Weg gemacht. Augenzeugen berichteten von massiven Behinderungen durch Polizei und andere Sicherheitskräfte, die die Demonstranten auf dem Weg zu den insgesamt sieben Treffpunkten zum Teil stundenlang aufhielten.

Behindert wurde auch die Berichterstattung. Bereits am Dienstag war einem Fernsehteam des Nachrichtensenders Al Jazeera die Einreise nach Venezuela verweigert worden. Am Donnerstag protestierte die französische Zeitung Le Monde in Paris gegen die Ausweisung ihrer Korrespondentin. Auch Journalisten aus den USA und Kolumbien waren betroffen.

„Unabhängig von der politischen Einstellung ist der Protestmarsch ein wichtiges Ereignis, das von allen Medien abgedeckt werden muss“, sagte der Vorsitzende der venezolanischen Journalistengewerkschaft SNTP (Sindicato Nacional de Trabajadores de la Prensa), Marco Ruiz.

Die Opposition hatte dazu aufgefordert, sich friedlich in den großen Avenidas Río de Janeiro, Libertador und Francisco de Miranda in den Kommunen Baruta, Chacao und Sucre zu versammeln. Die liegen im östlichen Teil des Hauptstadtbezirks von Caracas und damit deutlich entfernt vom Regierungsviertel um den Präsidentenpalast Miraflores im westlichen Teil.

„Sollten wir einmal nach Miraflores gehen, dann um nach der nächsten Wahl die Regierungsgeschäfte zu übernehmen“, sagte der oppositionelle Parlamentspräsident Henry Ramos Allup.

Die Opposition will einen Zeitplan

Die zentrale Forderung der oppositionellen Demonstranten richtete sich nicht an die Regierung, sondern an den Nationalen Wahlrat CNE. Der wurde aufgefordert endlich einen verbindlichen Zeitplan für die Durchführung des Abwahlreferendums gegen Maduro festzulegen und bekanntzugeben. Seit Wochen wirft die Opposition dem regierungsfreundlichen CNE eine Verschleppungstaktik für das von ihr angestrebte Referendum vor.

Nur wenn das Referendum vor dem 10. Januar 2017 durchgeführt wird, müsste nicht nur Maduro abtreten, sondern auch eine Neuwahl durchgeführt werden. Fällt die Entscheidung nach dem 10. Januar, muss Maduro bei einer Niederlage zwar ebenfalls gehen, aber der Vize übernähme für die Restlaufzeit der Amtsperiode bis 2019. Wer Vize ist, bestimmt der Präsident.

Die unsichtbare Grenze zwischen den Aufmarschgebieten war auch diesmal wieder die Plaza Venezuela. Die von Präsident Maduro ausgerufene Einnahme von Venezuela fand im westlichen Teil von Caracas auf der Avenida Bolívar Richtung Präsidentenpalast statt.

Wieder und wieder erinnerte die Regierung an den Putsch von 2002 gegen den damaligen Präsidenten Hugo Chávez. Auf dem großen und zentralen Platz hatte Vizepräsident Aristóbulo Istúriz die Regierungsanhänger schon am Vorabend zu einer Mahnwache gegen den Staatsstreich aufgerufen. Bis zu den Mittagsstunden (Ortszeit) waren beide Aufmärsche friedlich verlaufen.

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15 Kommentare

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  • „Wieder und wieder erinnerte die Regierung an den Putsch von 2002 gegen den damaligen Präsidenten Hugo Chávez“

     

    Wobei unerwähnt bleibt, dass Chávez 10 Jahre vorher seinerseits versucht hatte, sich an die Macht zu putschen, was ihm damals allerdings misslang.

    Darüber hinaus erinnert jetzt vieles an die Endphase der ebenfalls sozialistischen DDR in 1989. In Erinnerung sind noch die weltfremden Worte des Staats- u. Parteichefs E. Honecker, der noch Wochen vor seinem Abgang tönte: „Den Sozialismus in seinem Lauf hält weder Ochs‘, noch Esel auf!“.

    Oder die lächerliche Behauptung, die Unruhen seien von außen gelenkt. Wie es einer Handvoll ausländischer Finsterlinge gelungen sein sollte, hunderttausende Leipziger und Berliner zu mobilisieren, noch dazu unter den wachsamen Augen der Staatssicherheit, wurde nicht erwähnt.

     

    Hoffentlich überlegen sich die Vertreter der Opposition in Venezuela bereits jetzt und nicht erst nach dem Abtritt Maduros, wie es dann weitergehen soll. Hoffentlich gelingt es ihnen, eine gemeinsame Linie zu finden. Und hoffentlich endet das alles nicht in Machtkämpfen und Bürgerkrieg, wie viele zunächst hoffnungsvolle Neuanfänge!

    • @Pfanni:

      "Hoffentlich überlegen sich die Vertreter der Opposition in Venezuela bereits jetzt und nicht erst nach dem Abtritt Maduros, wie es dann weitergehen soll."

       

      Das wissen sie schon. Die alten Verhältnisse werden wieder hergestellt. Also bittere Armut für fast alle und Reichtum für ein paar exklusive Familien. Hoffnung ist damit nicht verbunden.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Ihre Behauptung ist schlicht falsch.

         

        Wenn auch verbesserungswürdig hatte doch Venezuela eine sich stetig verbessernde Entwicklung in wirtschaftlich und sozialer Hinsicht.

         

        Vor allem: Seit dem Amtsantritt von Chavez hat sich diese Entwicklung in ihr Gegenteil verkehrt.

         

        Und man kann Norwegen durchaus mit Venezuela vergleichen. Denn Norwegen war vor der Entwicklung der Gasexporte ebenfalls ein bitterarmes Land.

        • @Werner W.:

          Stimmt. Die Sulms von Oslo waren legendär. Die Entscheidung zwischen Norwegen und Indien ist Mutter Theresa damals echt schwer gefallen.

           

          Sie begehen einen weit verbreiteten Fehler. Sie lassen sich von den Fasaden blenden. Es ist richtig, dass das Öl einen gewissen Aufschwung für die Ober- und eine dünne Mittelschicht gebracht hat. Für die Mehrheit ist ist aber so gut wie nichts abgefallen. Diese Mehrheit hat Chávez damals an die Macht gebracht. Die haben ihn nämlich nicht gewählt, weil es ihnen zu gut ging. Das dieser Machtwechsel letztlich ach keine Lösung war, steht auf einem anderen Blatt.

          • @warum_denkt_keiner_nach?:

            Nein!

            Das eine faschistoide Militärregierung noch nie ein Lösung gebracht hat, ist eigentlich allgemein bekannt.

             

            Ein positive Entwicklung Venezuelas wurde ohne Not abgebrochen und in ihr Gegenteil verkehrt.

            • @Werner W.:

              Bitte fangen Sie nicht auch noch mit dem Quatsch an, alles was schief läuft, als "faschistisch" zu bezeichnen.

               

              Offensichtlich haben 1998 56% der Wähler in Venezuela die Entwicklung nicht als positiv eingeschätzt. Aber bleiben Sie ruhig dabei. So lange es auf dem Papier vorwärts geht, ist alles in Ordnung...

  • Bevor Chavez Präsident wurde, war Venezuela ein attraktives Einwanderungsland mit aufstrebender Wirtschaft.

    Seitdem haben 1 Million Menschen das Land verlassen und die Wirtschaft ist zugrunde gerichtet.

    Man möge nur zwei sehr änliche Länder vergleichen, um das Ausmaß der Mißwirtschaft zu verstehen: Venezuela und Norwegen.

     

    Die Opposition hat übrigens bei den letzten Wahlen 2/3 der Abgeordnetensitze errungen - ist gleichwohl von den Militärs an der Regierungsbildung gehindert worden.

    • @Werner W.:

      "Man möge nur zwei sehr änliche Länder vergleichen, um das Ausmaß der Mißwirtschaft zu verstehen: Venezuela und Norwegen."

       

      In Norwegen gab es bei der Machtübernahme der jetzigen Regierung Slums, kein nennenswertes Gesundheitswesen ect.?

       

      Das der Ansatz falsch war, einfach die hohen Öleinnahmen zu verteilen, ohne die Wirtschaft zu entwickeln, ist wohl unstrittig. Aber Venezuela war ein Land mit sehr vielen Problem und Wohlstand für eine winzige Oberschicht. Mit Norwegen kann man das nicht vergleichen.

    • @Werner W.:

      Tja - Kapitalismus ist nicht perfekt.

      Die Alternative scheint mir aber noch unperfekter zu sein.

  • Schon unglaublich wie es die Chavisten geschafft haben das Land mit den größten Erdölreserven der Welt so zu ruinieren. Als Chavez Präsident wurde lag der Ölpreis unter 20$ und er profitierte in der Folgezeit von so hohen Ölpreisen (lange um 100$) wie keiner seiner Vorgänger zuvor. Da haben es er und ab 2013 sein Nachfolger Maduro, trotz aller sozialer Errungenschaften, nicht geschafft eine funktionierende Wirtschaft aufzustellen, die nicht nur auf Erdöl fußt. Das Gegenteil ist der Fall, durch feste Wechselkurse wurden Importe und Korruption begünstigt und die heimische Wirtschaft abgewürgt. Traurig. Zeit für einen Politikwechsel, denn viel schlimmer kann es kaum werden!

  • 6G
    628 (Profil gelöscht)

    Maduro hat völlig versagt und muss dementsprechend weg. Auch wenn das Nachfolgende sicher nicht gut wird...

    • @628 (Profil gelöscht):

      Ihre Einschätzung von Maduros Fähigkeiten teile ich. Aber was nützt es, wenn das kommende nicht besser, sondern vielleicht sogar noch schlechter ist. Zu sagen, dass jemand weg muss, ist einfach. Das Ergebnis solch einfacher Lösungen kann man im Nahen Osten bestaunen.

      • 6G
        628 (Profil gelöscht)
        @warum_denkt_keiner_nach?:

        Ich gestehe, dass meine Meinung ohnehin nichts zur Sache tut, da ich kein Venezolaner bin. Natürlich muss die Angelegenheit innerhalb der venezolanischen Gesellschaft geklärt werden, ohne Einfluss von außen. Die Katastrophen im Nahen Osten sind ja darauf zurückzuführen, dass gewisse Staaten Weltpolizei spielen wollten und/oder knallharte Machtpolitik auf Kosten der dortigen Bevölkerung betrieben haben.

        Wenn aber ein völlig unfähiger Präsident aufgrund der Unzufriedenheit der Bevölkerung per Referendum abgesetzt wird, spricht nichts dagegen. Auch dann nicht, wenn man davon ausgehen muss, dass die alten Eliten an die Macht zurückkehren werden, die dem Land jahrzehntelang nichts gutes gebracht haben.

        • @628 (Profil gelöscht):

          Ich befürchte nur, dass auch hier alles in einen Bürgerkrieg mündet. Maduro scheint den Staatsapparat noch im Griff zu haben und so ganz ohne Anhänger ist er auch nicht.

  • Wahrscheinlich sind die Oppositionellen, die gegen Maduro aufstehen, von den imperialistischen Mächten der USA gesteuert.

    Mit Unzufriedenheit wegen des permanenten Mangels an allem hat das natürlich nichts zu tun.

    Ach so, ja, ich vergaß : Der Ölpreis wird vom Westen künstlich niedrig gehalten , seit Jahren , insbes. von Deutschland ( Ölvorkommen im Emsland) .

    Ich nehme nur die Erklärungen einiger Leute weg, die es nicht akzeptieren können, dass in Venezuela Flachpfeifen regieren, oder besser : Regierung spielen.