Protestkonzerte in Brandenburg: Musizieren gegen Abschiebungen
Das Aktionsorchester Lebenslaute hat die Baustelle des Bundespolizeipräsidiums in Potsdam besetzt, um gegen den Umgang mit Geflüchteten zu protestieren.

Mehr als eineinhalb Stunden spielte das Aktionsorchester „Lebenslaute“, das seit 1986 jedes Jahr mit unangemeldeten Konzerten an ungewöhnlichen Orten für Aufmerksamkeit sorgt. Auftritte gab es etwa schon auf Truppenübungsplätzen, bei Rüstungsfirmen und auf der Berliner Stadtautobahn.
Die diesjährige Tour steht unter dem Titel „Mit Pauken und Trompeten gegen Grenzzäune und Raketen“. „Wir sind unter anderem zum Neubau des Bundespolizeipräsidiums gegangen, weil von dort auch Abschiebungen von Geflüchteten geplant und koordiniert werden“, erklärte eine Aktivistin von Lebenslaute gegenüber der taz.
Kurz bevor es losging, versuchten Polizisten, den Musiker*innen die Notenblätter wegzunehmen. Doch das Orchester konnte das Konzert trotzdem spielen. Im Repertoire: antirassistische Songs wie „Grenzen“ von der Liedermacherin Dota Kehr oder „Leave no one behind“ des Rappers Sechser von Teuterekordz, den er am Freitag gemeinsam mit „Lebenslaute“ intonierte.
Unterstützung vom „Adenauer“
Unterstützung bekamen die Politikmusikant*innen vom Zentrum für politische Schönheit. Dessen Aktionsbus „Adenauer SRP+“ stand auf der anderen Seite des Zauns. In den Musikpausen wurde über Lautsprecher ein Text verlesen, der die Polizist*innen aufrief, keine rechtswidrigen Befehle umzusetzen.
Ziel des Appells war, Abschiebungen zu verhindern. Möglich aber, dass er auch am Freitag direkt Wirkung zeigte. Die rund 60 anwesenden Beamt*innen verzichteten zunächst auf eine Räumung des Konzerts. Gegen 12.30 Uhr mussten die Musiker*innen und ihre Unterstützer*innen jedoch das Gelände verlassen, nachdem ihre Personalien aufgenommen worden waren. Es seien Anzeigen wegen Hausfriedensbruchs und Verstößen gegen das Versammlungsgesetz aufgenommen worden, teilte die Polizei später mit.
Bereits am Donnerstag hatte „Lebenslaute“ ein sogenanntes Willkommenskonzert vor der Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete in Eisenhüttenstadt gespielt. Daran hätten sich viele Schutzsuchende beteiligt, hieß es vom Orchester. Auch die Gruppe „Women in Exile“ sang mit und schilderte in Redebeiträgen die schlechten Lebensbedingungen in der Unterkunft: Mitarbeiter*innen beträten unangemeldet die Wohnräume; zudem sei verboten, nach 20 Uhr Besuch zu empfangen.
Am Samstag setzten die Musiker*innen ihre Tour in Potsdam fort und traten vor dem Denkmal für den unbekannten Deserteur in der Potsdamer Innenstadt auf. Dort sprachen auch russische und ukrainische Kriegsdienstverweigerer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
E-Autos versus Verbrenner
Der gefühlte Freiheitsverlust
Kürzungsdebatte im Sozialbereich
Und eure Lösung, liebe Linke?
Krieg in Gaza
Israel tötet Al-Jazeera-Korrespondenten in Gaza
Neonazi-Angriff in Berlin
Junge Journalist*innen geschlagen und getreten
Regenwasserdiebstahl
15 Cent geklaut!
Opferzahlen im Gaza-Krieg
Wie viele Tote gibt es in Gaza?