Proteste: Krieg treibt Kurden auf die Straße
Berliner Kurden protestieren gegen den türkischen Einmarsch in den Irak. Doch trotz Krieg bleibt die Atmosphäre zwischen Türken und Kurden in der Stadt eher entspannt.
"Angriff auf kurdisches Dorf - stoppt die Invasion in Kurdistan": unter diesem Motto wollen am heutigen Donnerstag um 12 Uhr kurdische Vereine vor der Botschaft der Türkei gegen den Einmarsch türkischer Soldaten im Nordirak protestieren. Angemeldet hat die Protestkundgebung das Demokratische Kurdische Gesellschaftszentrum Berlin-Brandenburg.
Das Zentrum gehört zur Dachorganisation Yekom, der enge Beziehungen zu der in Deutschland verbotenen PKK nachgesagt werden. 1.000 TeilnehmerInnen werden erwartet. Die Polizei rechnet mit einem friedlichen Verlauf, will aber "der Lage entsprechend" vertreten sein.
Die ist im Moment offenbar eher entspannt: "In Berlin ist die Stimmung ruhig", sagt Fevzi Aktas vom Kurdistan Kultur- und Hilfsverein, der dem PKK-kritischen Dachverband Komkar angehört. "Wir haben keine Angst und erwarten keine Auseinandersetzungen." Sein Verein plane keine Kundgebungen oder Demos. Auch Evrim Baba, kurdischstämmige Abgeordnete der Linken, rechnet nicht mit Auseinandersetzungen in Berlin.
Nach türkischen Luftangriffen auf PKK-Stellungen im Nordirak war es Ende Oktober nach einer Demonstration in Kreuzberg zu Schlägereien zwischen türkischen und kurdischen Berlinern gekommen. Angemeldet hatte die damalige Demo ein Mitgliedsverein der Türkischen Gemeinde Berlin (TGB). Solche Auseinandersetzungen sollen sich heute nicht wiederholen. "Von unserer Demo wird keine Gewalt ausgehen", sagt Ismail Parmaksiz vom Demokratischen Kurdischen Gesellschaftszentrum.
Die TGB plane derzeit keine Aktionen, sagt deren Nochpräsident Taciddin Yatkin. Auch von den Mitgliedsvereinen sei nichts geplant: "Wir wollen das Opferfest in Ruhe feiern." Das heute beginnende Opferfest ist neben dem Zuckerfest am Ende der Fastenzeit das wichtigste Fest der Muslime. Gefeiert wird es mit dem Morgengebet in der Moschee und Familienbesuchen.
Yatkin sitzt derzeit auf einem heißen Stuhl: Bei den Vorstandswahlen der TGB Anfang November fehlte eine Stimme zu seiner Wiederwahl. Nur aufgrund einer Wahlanfechtung beim Amtsgericht leitet er derzeit noch provisorisch die Gemeinde.
Nach den von der TGB-Demo im Oktober ausgegangenen Schlägereien hatte die Kurdische Gemeinde der Türkischen ein Treffen vorgeschlagen. Von dieser Einladung, die der Vorsitzende Riza Baran Ende November schriftlich an die TGB gerichtet hatte, will Yatkin jedoch nichts wissen: "Ich habe diesen Brief noch nicht gesehen." In dem Schreiben, das der taz vorliegt, schlägt Baran ein Treffen vor, um ein "gemeinsames Vorgehen zu besprechen und in einen Prozess vertrauensbildender Maßnahmen einzutreten". Eine Reaktion darauf gibt es laut Baran bislang nicht.
Er sei jederzeit bereit, mit Kurden zu reden, so Yatkin zur taz, "aber nicht mit Anhängern der PKK oder anderer terroristischer Organisationen, die in Deutschland verboten sind. Wenn Herr Baran sich von der PKK distanziert, würde ich auch mit ihm reden." Baran, der in den Neunzigerjahren für die Grünen im Abgeordnetenhaus saß und bis 2006 Vorsteher der Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg war, hält das für einen Vorwand: "Ich lebe seit 1963 in Deutschland. Damals gab es die PKK gar nicht. Was habe ich also mit ihr zu tun?" Es gehe bei seinem Gesprächsangebot um das friedliche Zusammenleben von Berlinern kurdischer und türkischer Herkunft. "Ich verstehe deshalb den Zusammenhang mit der PKK gar nicht", so Baran.
Die Distanzierung von der PKK zur Vorbedingung eines Gesprächs zu machen, hält auch Safter Cinar vom Türkischen Bund Berlin-Brandenburg (TBB) für falsch: "Das stellt potenzielle Gesprächspartner unter Generalverdacht." Der TBB hatte die Ausschreitungen im Oktober in einer gemeinsamen Presseerklärung mit der Kurdischen Gemeinde verurteilt und ein "friedvolles Miteinander" gefordert.
Nach Weihnachten wollen die Yekom-Vereine ihre Proteste gegen den Einmarsch im Irak fortsetzen. Unter anderem sind Sitzstreiks und eine Kundgebung vor der US-Botschaft geplant.
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