Proteste in Thailand: Yingluck ohne Strom
Demonstranten in Thailand haben die Stromversorgung zur Regierungszentrale der Ministerpräsidentin gekappt. Die Opposition hofft derweil auf das Militär.
BANGKOK dpa | Mit dem Kappen der Stromversorgung zur Regierungszentrale von Ministerpräsidentin Yingluck Shinawatra dürfte sich der Konflikt zwischen der Regierungschefin und ihren Gegner um Oppositionsführer Suthep Thaugsuban weiter verschärfen.
Yingluck war nicht in ihren Büros. In einer Fernsehansprache von einem unbekannten Ort kündigte sie wenig später für den 15. Dezember eine Art Runden Tisch aller gesellschaftlicher Gruppen an, um eine Lösung für die Staatskrise zu suchen.
Die Regierungsgegner versuchen seit Wochen, Yingluck zu stürzen. Diese hat das Parlament aufgelöst und Neuwahlen angekündigt, lehnt aber einen sofortigen Rücktritt ab. Suthep ist gegen Neuwahlen, die er wahrscheinlich gegen Yingluck verlieren würde. Er hofft, das Militär auf seine Seite ziehen.
In den vergangenen Jahrzehnten war das Militär in Thailand an 18 Umstürzen beteiligt. Wieso sollte das nicht wieder klappen, fragt sich der Anführer der Protestler. Er beabsichtige, seine Reformpläne zur Ablösung der Regierung mit der Militärführung zu besprechen, kündigte Suthep am Mittwoch an. Armeechef Prayuth Chan-Ocha sagte laut einem Onlinebericht der Bangkok Post, das Militär unterstütze eine Lösung, die das Land befriede, wolle aber keine direkte Rolle spielen.
Beobachter sehen in der Armee den entscheidenden Faktor, damit die Protestbewegung doch noch an die Macht gelangen kann. Bislang versuchen die Militärs eher eine Schlichterrolle einzunehmen. Es war der Armeechef, der vor anderthalb Wochen ein Treffen zwischen Suthep und Ministerpräsidentin Yingluck Shinawatra vermittelte.
Yingluck Shinawatra schließt einen erneuten Armeeputsch wie vor sieben Jahren gegen ihren Bruder aus. „Ich glaube nicht, dass das Militär das noch einmal tun wird“, sagte sie am Mittwoch vor Journalisten in Bangkok. Im Jahr 2006 war ihr Bruder Thaksin Shinawatra vom Militär entmachtet und ins Exil gezwungen worden. Die Putschisten hätten aber gemerkt, dass ein solcher Umsturz „keinerlei Probleme löst“, zeigte sich Yingluck überzeugt.
„Wenn das Militär eingreift, werden die „Rothemden“ hervorkommen“, sagte Thida Tavornseth, eine Anführerin der regierungstreuen Vereinigten Front für Demokratie und gegen Diktatur (UDD). Die Gruppe, die sich für eine Rückkehr von Yinglucks Bruder Thaksin aus dem Exil einsetzt, trägt rote T-Shirts. Am vorvergangenen Wochenende gab es Tote, als die Rothemden auf die Regierungsgegner trafen.
Unklare Vorstellungen
Am Montag hatte Ministerpräsidentin Yingluck Shinawatra angesichts des Drucks der Straße zwar das Parlament aufgelöst und Neuwahlen für Februar angekündigt. Sie blieb aber vorübergehend im Amt. Die Demonstranten lehnen Neuwahlen ab, da Yinglucks Partei dann erneut die Mehrheit erhalten dürfte. Die Regierungsgegner wollen ein neues politisches System - wie das genau aussehen soll, blieb aber unklar.
Unabhängig von den Protesten wurden 800 Kilometer entfernt im Süden des Landes vier Polizisten bei einer Bombenexplosion getötet. Die Männer seien in der Provinz Pattani mit ihrem Kleinlaster unterwegs gewesen, als der 15-Kilo-Sprengsatz explodierte, sagte ein Polizeisprecher. Er vermutet hinter dem Anschlag Aufständische, die der Landbevölkerung Angst einjagen möchte, damit diese nicht mit den Sicherheitskräften kooperiert.
Derweil ist der frühere thailändische Ministerpräsident Abhisit Vejjajiva wegen einer Mordanklage erstmals vor Gericht erschienen. Er und sein damaliger Vize Suthep Thaugsuban, der momentan die Anti-Regierungs-Proteste anführt, sollen das harte Vorgehen der Soldaten gegen Demonstranten im Mai 2010 genehmigt haben. Bei der Niederschlagung der Proteste waren damals 92 Menschen gestorben. Abhisit ist gegen Zahlung einer Kaution von umgerechnet 14.000 Euro auf freiem Fuß. Suthep erschien nicht vor Gericht. Die beiden genossen bis vor kurzem als Abgeordnete Immunität, legten ihre Mandate aber nieder, um gegen die Regierung auf die Straße zu gehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin