Proteste in Südkorea: Eine Million Menschen auf der Straße
Die Demonstranten fordern Präsidentin Pak Geun-hye zum Rücktritt auf. Sie wird nun sogar erstmals von der Staatsanwaltschaft vorgeladen.
Lautstark fordern sie die Präsidentin ihres Heimatlandes zum Rücktritt auf. Die Organisatoren sprechen gar von der größten Demonstration seit dem Ende der südkoreanischen Militärdiktatur 1987.
Trotz der angestauten Frustration über die größte Regierungskrise unter Park Geun-hye verläuft der Protest auch in den Abendstunden friedlich ab. Ihre Botschaft können die Demonstranten dennoch nicht bis an den Präsidentensitz herantragen: Hunderte, dicht nebeneinander geparkte Polizeibusse blockieren den Weg.
Rund 25.000 Bereitschaftspolizisten überwachen die Menschenmassen. Zusätzliche Reisebusse wurden angemietet, um weitere Einsatzkräfte aus anderen Landesteilen in die Hauptstadt zu bringen. Im Gegensatz zu früheren Gewaltexzessen verhält sich die Staatsmacht an diesem Wochenende jedoch zurückhaltend.
Noch nie ist eine Präsidentin zurückgetreten
Die Demonstration wurde ausgerechnet von Nordkorea gelobt. Die Parteizeitung Rodong Sinmun widmete der Veranstaltung eine ganze Seite mit 13 Fotos – ein riskanter Zug für ein Regime, das die Demonstrationsfreiheit seiner eigenen Bevölkerung unterdrückt wie kaum ein zweites.
Präsidentin Park Geun-hye würde „die Ernsthaftigkeit der derzeitigen Situation zur Kenntnis nehmen“, wie sie über ihren Sprecher mitteilen ließ. Zu den Rücktrittsforderungen äußerte sie sich nicht.
Noch nie ist ein südkoreanisches Staatsoberhaupt vor der Beendigung der fünfjährigen Legislaturperiode zurückgetreten. Ob Park Geun-hye die letzten 15 Monate ihrer Amtszeit durchhält, bleibt fraglich. Retten könnte sie, dass auch die Opposition nicht auf eine vorzeitige Neuwahl vorbereitet zu sein scheint. Teile der oppositionellen Abgeordneten verfolgen eine andere Strategie: Sie wollen die Präsidentin zu möglichst vielen Zugeständnissen drängen.
Eine nette Vetternwirtschaft
Park Geun-hye wird ihr enges Verhältnis zur 60-jährigen Choi Soon-sil vorgeworfen. Diese hatte – ohne ein politisches Amt innezuhaben – nicht nur jahrelang Zugriff auf geheime Regierungsdokumente, sondern hievte auch Bekannte in wichtige politische Positionen und wickelte mithilfe von Insiderinformationen illegale Immobiliengeschäfte ab. Zudem hat Choi ihre Nähe zur Präsidentin ausgenutzt, um umgerechnet über 60 Millionen Euro von koreanischen Großfirmen zu erpressen.
Nun untersucht die Staatsanwaltschaft in Seoul, ob die Präsidentin ihrer Jugendfreundin bei den illegalen Geschäften geholfen hat. Am Sonntag kündigte die Staatsanwaltschaft an, Park Geun-hye bis spätestens Mittwoch verhören zu wollen. Noch nie wurde ein koreanischer Präsident während seiner Amtszeit wegen eines Kriminalfalls vorgeladen.
Ebenfalls vernommen wurden bereits die Vorstände von LG, Samsung, Hanjin und Co. Fast alle der namhaften Mischkonzerne des Landes sollen in den Korruptionsskandal verwickelt sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag