Proteste in Iran: EU beschließt neue Sanktionen
Weitere Strafmaßnahmen sind gegen Iran verhangen worden, darunter gegen das IT-Unternehmen Arvan Cloud. Revolutionsgarden sind noch nicht gelistet.
Die neuen Sanktionen träfen „den inneren Machtzirkel der Revolutionsgarden“, sagte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock. „Wir senden ein erneutes und zwar unmissverständliches Signal an das iranische Regime“, betonte sie.
Unter den neuen Organisationen auf der Sanktionsliste befindet sich auch das iranische IT-Unternehmen Arvan Cloud, zu dem die taz gemeinsam mit Correctiv und netzpolitik.org recherchiert hatte. Die EU wirft dem Unternehmen nun vor, der iranischen Regierung beim Aufbau eines nationalen Internets zu helfen.
Arvan Cloud sei „an der Zensur und den Bemühungen der iranischen Regierung beteiligt, das Internet als Reaktion auf die jüngsten Proteste im Iran abzuschalten“, heißt es in der Begründung. Die Firma werde auch mit Personen in Verbindung gebracht, die für schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen im Iran verantwortlich seien.
Todesurteil wegen „Korruption auf Erden“
Im Iran ist indes am Sonntag ein Todesurteil im Zusammenhang mit den Protesten gegen die Führung des Landes verhängt worden. Ein Gericht in der Hauptstadt Teheran habe die Todesstrafe ausgesprochen, teilte die Justizbehörde auf ihrer Website Misan Online am Sonntag mit.
Die verurteilte Person sei unter anderem schuldig befunden worden, ein Regierungsgebäude angezündet, „die öffentliche Ordnung gestört“ und die „nationale Sicherheit“ bedroht zu haben. Ihr wird demnach auch „Korruption auf Erden“ vorgeworfen sowie ein „Feind Gottes“ zu sein – einer der schwersten Straftatbestände des iranischen Rechts. Über die Identität oder das Alter des oder der Verurteilten wurde nichts bekannt.
„Das ist grausam“, kommentierte Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn das Urteil bei dem Treffen in Brüssel am Montag. Die EU werde keine Ruhe geben und Teheran zur Verantwortung ziehen.
Im Gespräch ist, die iranischen Revolutionsgarden nicht nur abzustrafen, sondern auch auf die EU-Terrorliste setzen zu lassen. Die Rechtslage sei aber „komplex“, räumte Baerbock ein. Deshalb sei dieser Schritt noch einmal aufgeschoben worden. Die Verantwortlichen glaubten, „ohne Konsequenzen ihre eigenen Menschen unterdrücken, einschüchtern und töten zu können“, empörte sich Baerbock. Dies sei jedoch ein Irrtum.
Keine EU-Strategie erkennbar
Bei den Protesten, die durch den Tod der 22-Jährigen Jina Mahsa Amini im September ausgelöst worden sind, sind nach Angaben der Nichtregierungsorganisation Iran Human Rights bislang mindestens 326 Menschen getötet worden. Mittlerweile geht es nicht mehr nur um das Tragen des Kopftuchs und andere umstrittene Regeln der Sittenpolizei. Viele Demonstranten verlangen auch den Sturz des islamistischen Regimes.
Die EU hat sich diese Forderung allerdings nicht zu eigen gemacht. Sie reagiert auf die Repression; eine Strategie ist bisher nicht zu erkennen. Dies liegt auch daran, dass die Europäer noch vor Kurzem auf eine Wiederbelebung des Atomabkommens aus dem Jahr 2015 (JCPOA) hofften. Man dürfe es sich nicht endgültig mit Teheran verscherzen, um das Atomabkommen und damit den Frieden in der Region zu retten, hieß es in Brüssel.
Nun liegt der Deal auf Eis, die Spannungen zwischen Iran und Israel haben sich massiv verschärft. Für weiteren Zündstoff sorgen die iranischen Waffenlieferungen an Russland. Wegen iranischer Drohnen hatte die EU bereits weitere Sanktionen verhängt, unabhängig von den nun beschlossenen neuen Strafmaßnahmen. Weitere Strafen könnten folgen, deutete der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell an.
Borrell wollte den Ministern neue Belege für iranische Waffenlieferungen vorlegen. Außerdem ging es bei dem Treffen in Brüssel am Montag um die Lage in der Ukraine nach dem russischen Rückzug aus Cherson. Borrell wandte sich gegen eine diplomatische Initiative. „Die Ukraine muss selbst entscheiden, was sie als nächstes macht“, sagte der Spanier. „Unsere Pflicht ist es, sie zu unterstützen.“ (mit Agenturen/Mitarbeit: Jean-Philipp Baeck)
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