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Proteste in IranAbschieben und Tee trinken

Regimekritiker_innen werden in Iran gefoltert und getötet. Die Bundesregierung bleibt dazu erschreckend still – und schiebt Menschen dorthin ab.

Regimetruppen auf Motorrädern in Teheran Foto: reuters

S eit drei Wochen sterben Menschen auf den Straßen Irans, weil sie sich gegen das diktatorische Regime auflehnen und es zu Fall bringen wollen. In der Stadt Zahedan spricht man bereits von „massakerartigen Übergriffen“. Manche verschwinden spurlos, wie etwa in Teheran die 16-jährige Nika Shakarami.

Ihre Leiche wurde erst Tage später ihrer Familie überreicht und anschließend von den Behörden erneut gekidnappt, damit ihre Beerdigung die Proteste nicht weiter anheizt. Die Angst der Behörden war berechtigt. Das gewaltsame Vorgehen der Regimetruppen scheint die Wut der Bevölkerung nur noch mehr zu befeuern.

Was gerade in Iran passiert, ist unübersichtlich, so wie jeder Systemsturz unübersichtlich ist. Unabhängige Presse vor Ort ist kaum möglich. Der massiv von der Islamischen Republik eingeschränkte Internetzugang führt zu verzögertem Nachrichtenfluss. Doch das alles sollte uns nicht dazu verleiten, die Proteste kleinzureden. Denn trotz allem erreichen uns die Zeugenberichte, Bilder und Videos, die grausame Angriffe gegen und Erschießungen von Demonstrierenden zeigen.

Aber eben auch mutige Frauen, die sich bewaffneten Truppen in den Weg stellen, Schüler_innen, die ihre regimetreuen Lehrer_innen aus den Schulen mobben. Wer unter diesen Bedingungen immer noch protestiert, dem ist es todernst. Und dazu zählen inzwischen auch Kinder.

Nur Lippenbekenntnisse

Erschreckend still ist es dabei um die Haltung der Bundesregierung. Der iranische Botschafter wird einbestellt, Außenministerin Baerbock bewundert den „unglaublichen Mut“ der Protestbewegung. Doch Bewunderung kostet nichts. Mehr als Lippenbekenntnisse hat die Bundesregierung bislang nicht auf den Weg gebracht. Schärfere EU-Sanktionen, die nicht wie bislang vor allem das iranische Volk, sondern die Machtelite des Landes treffen würden, könnten in der kommenden Woche zwar beschlossen werden. Doch es gibt auch innenpolitische Maßnahmen, die getroffen werden müssen. Ein Abschiebestopp zum Beispiel.

Im Moment werden abgelehnte Asybewerber_innen immer noch in den Iran abgeschoben. Mehr noch: Sie werden mit den perfidesten Methoden auf deutsche Ämter gelockt, um in Gewahrsam genommen und abgeschoben zu werden. So geschah es in der vergangenen Woche im bayrischen Passau.

Der 41-jährige Iraner Reza R. erhielt ein Schreiben vom dortigen Ausländeramt, in dem vorgegeben wurde, seine Pläne, eine Ausbildung als Pflegekraft zu absolvieren, würden unterstützt, er solle zeitnah erscheinen, um die Formalien zu klären. Als R. vor Ort eintraf, warteten bereits zwei Polizisten, die ihn in Abschiebegewahrsam nahmen. Am Mittwoch sollte er nach Teheran ausgeflogen werden. Obwohl er als Christ im islamisch regierten Iran verfolgt wird. Zudem nahm R. in der Vergangenheit an regimekritischen Protesten teil. Was mit Oppositionellen in Iran derzeit geschieht, sehen wir.

Verdienst der Zivilgesellschaft

Dank großer Aufmerksamkeit in den Sozialen Netzwerken und dank dem Einsatz des Bayerischen Flüchtlingsrats wurde die Abschiebung im letzten Moment gestoppt und R. freigelassen. Das ist einerseits ein hoffnungsvoller Verdienst der Ziviligesellschaft, andererseits erschütternd, da das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge immer noch Abschiebungen in den Iran anordnet – genauso wie nach Afghanistan. Und die ausführenden Behörden schrecken nicht davor zurück, Menschen mit Lügentricks anzulocken, um sie anschließend per Flugzeug quasi in den Tod zu schicken.

In Zeiten von gewaltsamen Pushbacks an den EU-Außengrenzen mag das im Grunde nicht verwundern. Dennoch muss die Bundesregierung endlich eine klare Haltung zur Lage in Iran formulieren und diese in politische Entscheidungen übersetzen. Denn gerade sieht es bloß nach „Abschieben und Tee trinken“ aus, mehr nicht.

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Fatma Aydemir
Redakteurin
ehem. Redakteurin im Ressort taz2/Medien. Autorin der Romane "Ellbogen" (Hanser, 2017) und "Dschinns" (Hanser, 2022). Mitherausgeberin der Literaturzeitschrift "Delfi" und des Essaybands "Eure Heimat ist unser Albtraum" (Ullstein, 2019).
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5 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Was bitte ist jetzt neu? Die Bundesregierung und das Aussenamt hat auch kein Problrm mit der menschenrechtswidrigen Einkerkerung und anstehenden Verschickung von Assange an den Folterstaat USA. Also bleibt alles wie es war

  • "Lippenbekenntnisse der deutschen Politik" ist noch gelinde ausgedrückt. schamlos sind unsere regierung–und wir–zu keinen abstrichen bereit. geschäfte mit dem iran müssen weiterhin gemacht werden. (wie mit etlichen anderen diktaturen) "Im Moment werden abgelehnte Asybewerber_innen immer noch in den Iran abgeschoben". (wie in etliche andere diktauren). es ist ein grauen.

  • Das Vorgehen des Amtes ist ekelhaft.

  • Dass nur Lippenbekenntnisse drin sind, das mag daran liegen:

    "Deutschland ist aktuell der fünftwichtigste Lieferant für den Iran, 2021 lieferte Deutschland Waren im Wert von 1,4 Milliarden Euro. Der Iran lieferte im Gegenzug Waren im Wert von 314 Millionen Euro. Zwischen Januar und Juli sind laut Angaben der AHK Iran die deutschen Exporte um 3,4 Prozent, die deutschen Importe um 4,3 Prozent gestiegen."

    Und:

    „Es gibt keine deutschen Produkte, die nicht im Iran erhältlich sind – nur teuer sind sie durch die Sanktionen geworden.“

    www.wiwo.de/untern...hina/28724972.html

    Da muss die feministische Außenpolitik eben ein bisschen mit Samtpfoten auftreten.

    • @Jim Hawkins:

      1.4Mrd. ?



      Bei rd 1.3Billionen Euro Export im Jahr kann das nun wirklich nicht der Grund sein. Wir exportien allein ins winzige Luxenbourg 3x soviel.