Proteste in Indonesien: Islamisten machen Druck

Jakartas beliebter christlicher Gouverneur „Ahok“, der chinesischer Abstammung ist, wird im Wahlkampf zur Zielscheibe von Islamisten.

Proteste am vergangenen Freitag in Jakarta. Menschen schmeißen in der Dunkelheit mit Steinen

Proteste am vergangenen Freitag in Jakarta Foto: ap

JAKARTA taz | Indonesiens Präsident Joko Widodo hat am vergangenen Samstag in letzter Minute eine Australien-Reise abgesagt. Der Grund: Gewalt, die den zuvor friedlichen Massenprotest von Islamisten am Freitag abend überschattet hatte. Nach der Demonstration gegen den christlichen Gouverneur der Hauptstadt Jakarta war ein Mann im Tränengasnebel an einem Asthmaanfall gestorben. Demonstranten hatten zwei Autos der Polizei angezündet. Sie antwortete mit Wasserwerfern, Tränengas und Schlagstöcken.

Zuvor hatten zehntausende Islamisten friedlich gegen Gouverneur Basuki Tjahaja Purnama demonstriert, den alle Ahok nennen. Sie werfen dem seit 2014 amtierenden Stadtoberhaupt blasphemische Äußerungen vor. Er hatte im September eine Sure des Korans, die Muslimen angeblich vorschreibt, keine Christen zu wählen, auf seine direkte Art interpretiert.

Bei der Demonstration forderten Islamisten „Tötet Ahok“ oder „Verhaftet Ahok“. Die Polizei sprach von 100.000 Demonstranten. Es war die größte Demonstration seit Jahren. Die Polizei hatte 18.000 Beamte mobilisiert, das Militär hielt Spezialeinheiten bereit.

Die Islamisten dürfte freuen, dass Widodo wegen ihnen den Staatsbesuch absagte, denn das zeigt ihren wachsenden Einfluss. Dabei hatten sich die beiden wichtigsten und größten muslimischen Organisationen, Nahdlatul Ulama und Muhammadiyah, die für Indonesiens traditionell toleranten Islam stehen, von den Protesten distanziert. Widodo warf am Samstag Politikern vor, den Protest angeheizt zu haben, nannte aber keine Namen.

Dorn im Auge

Seitdem ein Video der umstrittenen Rede Purnamas in sozialen Netzwerken kursierte, sahen Islamisten die Chance, die Wahl des Christen chinesischer Abstammung im kommenden Februar noch zu verhindern. Der frühere Vizegouverneur war 2014 zum Stadtoberhaupt aufgerückt, als sein Vorgänger Widodo ins Präsidentenamt gewählt worden war. Den Islamisten ist ein christlicher wie chinesischstämmiger Politiker im Land mit der weltgrößten muslimischen Bevölkerung ein Dorn im Auge. Der Gouverneursposten ist ein potentielles Sprungbrett an die Staatsspitze.

Purnama hat sich längst für seine Rede entschuldigt und erklärt, er habe Muslime nicht beleidigen wollen. Trotzdem ermitteln die Behörden gegen ihn wegen Blasphemie. 22 Zeugen wurden vernommen, am Montag soll Purnama angehört werden.

Der Blasphemieparagraph wurde früher kaum angewendet. Doch unter Präsident Susilo Bambang Yudhoyono (2004 -2014) nahmen die Anklagen zu. Der Ex-General gilt als gemäßigt, doch hat er nie etwas gegen die aus Saudi Arabien geförderten islamistischen Gruppen unternommen.

Jetzt forderte er gar Purnama anzuklagen. Denn Yudhoyonos Sohn Agus Harimurti kandidiert auch für das Gouverneursamt, liegt aber in Umfragen bisher weit hinter Purnama. Harimurti und die Islamisten versuchen ihn jetzt als Islamfeind zu diskreditieren.

Wachsende Intoleranz

Wie oft in Indonesien ducken sich dabei die zahlenmäßig weit stärkeren gemäßigten Kräfte weg, statt selbst offensiv für Meinungsfreiheit und ethnische und religiöse Vielfalt zu werben.

Die Demonstration sei ein Zeichen wachsender Intoleranz, sagt der Menschenrechtsaktivist Hendardi vom Setara Institut für Demokratie und Frieden: „Es ist die Aufgabe der Regierung gegenzusteuern,“ fordert er in der Jakarta Post. Sonst würden radikale Bewegungen bis hin zu terroristischen Gruppen gestärkt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.