Proteste in Frankreich wegen Coronapass: Konfrontation statt Konsens
Die Straßenproteste in Frankreich weiten sich aus. Das liegt am Politikstil des Präsidenten Macron, der konfrontativ und von oben herab ist.
D er Widerstand wächst. Am vierten Protestsamstag gegen die Impfpolitik von Präsident Emmanuel Macron gingen 237.000 Menschen auf die Straße. Das sind 34.000 mehr als noch eine Woche zuvor – und das mitten in den landesweiten Sommerferien.
Der Protest richtet sich gegen den Gesundheitspass, der eine doppelte Impfung oder einen negativen Test ausweist und ab Montag für Restaurants und Bahnfahrten nötig ist. Mindestens genauso richtet er sich aber gegen den Staatschef, der den Pass zusammen mit einer Impfpflicht für das Gesundheitspersonal Mitte Juli in einer Ansprache verkündet hatte.
Natürlich ist Frankreich keine Diktatur, wie einige Demonstrierende behaupten. Das französische Verfassungsgericht sieht in Macrons Maßnahmen das Gleichgewicht zwischen der Achtung der Freiheitsrechte und dem Schutz der Gesundheit gewahrt. Dennoch machte der Präsident den Fehler, seine Maßnahmen von oben herab zu verkünden, ohne vorher mit den Betroffenen – beispielsweise in den Krankenhäusern – gesprochen zu haben.
Seine Arroganz der Macht führte dazu, dass die Proteste in Frankreich nun größer und vehementer ausfallen als in anderen Ländern. Gleichzeitig rächt sich, dass es kaum noch Zwischeninstanzen gibt, die die Wut abpuffern könnten. Das Parlament, in dem Macrons Partei zusammen mit ihren Koalitionspartnern eine deutliche Mehrheit hat, ist nur noch der verlängerte Arm des Staatschefs. Die traditionellen Parteien hat der Präsident mit seiner Wahl 2017 zerlegt, die Gewerkschaften links liegen gelassen.
Erst Gelbwesten, jetzt Passgegner:innen
Seine Amtszeit hat sich längst zu einer direkten Konfrontation zwischen ihm und der Bevölkerung entwickelt. Seit drei Jahren spielt sich diese Konfrontation auf der Straße ab: zuerst die Gelbwesten, dann die Rentenproteste und nun die Gesundheitspass-Gegner:innen.
Macron scheint diese Auseinandersetzung zu suchen und schreckt dabei auch vor einer Ohrfeige nicht zurück, wie sie ihm ein Passant im Juni verpasste. Von der Konsenssuche, die in anderen Ländern üblich ist, hat er sich längst verabschiedet. Der Gesprächsfaden mit dem Mann im Élysée ist abgerissen. Gewalt droht ihn zu ersetzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione