Proteste im Sudan: Hametti wird zum starken Mann
Der Vizepräsident des Militärrats stellte sich anfangs hinter die Demonstranten. Jetzt lösten seine Truppen die Proteste gewaltsam auf.
Hametti entstammt einem kleinen arabischen Clan aus dem Nachbarland Tschad, der in den 1980er-Jahren vor Krieg und Dürre nach Darfur im Westen des Sudan floh. Die nichtarabische Volksgruppe der Fur nahm sie auf. Aber schon wenig später kämpften sie um Wasserquellen und Land – ein Vorspiel für den mörderischen Krieg des sudanesischen Regimes in Darfur, der Hamettis Karriere begründete.
Hametti sagt von sich, dass er nach drei Jahren Grundschule keine Lust mehr auf Unterricht hatte und beschloss, Kamelhändler zu werden. Als 2003 eine Rebellion in Darfur gegen Sudans Regierung anfing, schloss er sich den Janjaweed an. Diese arabische Reitermiliz griff im Regierungsauftrag Fur und andere nicht arabisierte Völker in Darfur an.
Sudans Diktator Bashir bevorzugte es bei Rebellionen immer, nicht direkt die Armee gegen eine Guerilla loszuschicken, sondern lokale Milizen aufzustellen, die die Drecksarbeit machen. Die Janjaweed wüteten in Darfur jahrelang. Sie ermordeten Männer und vergewaltigten tagelang Mädchen und Frauen. Dörfer und Nahrungsspeicher wurden verbrannt, das Vieh gestohlen.
Die Angst der EU vor Geflüchteten
Hametti entwickelte sich zum gefürchteten Kriegsherr mit unendlich viel Blut an den Händen. Die Janjaweed gerieten außer Kontrolle. Bashir versuchte, sie zu entwaffnen. Als das nicht gelang, wurde Hametti vor sechs Jahren zum Kommandanten der Miliz befördert, die mittlerweile Rapid Support Forces (RSF) hieß.
Unter Hametti exportierte die RSF ihre Gewalt in andere Teile des Sudan. Er wurde Brigadegeneral und sorgte dafür, das die RSF die dritte Säule der Streitkräfte wurde, neben Armee und Geheimdienst. 2016 wollte die EU, dass Sudan den Strom von Flüchtlingen aus Ländern wie Eritrea nach Libyen und Europa aufhält.
Jetzt nennt Hametti die Proteste Chaos
Die RSF stoppte Migranten und zeigte sie im Fernsehen, um die EU zu überzeugen, dass sie die Richtigen seien. Hametti drohte, Migranten wieder durchzulassen, wenn er nicht bezahlt werde für die „harte Arbeit“. Er war mittlerweile reich, weil er Darfurs Goldminen kontrolliert.
Hametti blieb Bashir lange treu, bis Anfang dieses Jahres die Proteste gegen die Diktatur immer lauter wurden. Er gerierte sich als Beschützer der Demonstranten und hielt dadurch seine Machtstellung, nachdem Bashir gestürzt war. Aber seit einiger Zeit nennt er die Proteste „Chaos“ – und jetzt waren seine RSF-Truppen bei der gewaltsamen Auflösung der Proteste an vorderster Front.
Es scheint, dass Hametti den Sturz Bashirs für sich ausgenutzt hat. Wird sein nächster Schritt sein, die Macht komplett zu ergreifen?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit