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Proteste im KongoMit Feuer und Flamme

Brennende Parteibüros, erschossene Demonstranten, tote Polizisten: Der Protesttag der Opposition gegen die Verschiebung der Wahl endet in Gewalt.

Die verkohlte Parteizentrale der Regierungspartei PPRD in Kinshasa Foto: reuters

BERLINtaz| Massive Gewalt zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften hat am Montag den nationalen Protesttag gegen Wahlverschiebung in der Demokratischen Republik Kongo überschattet. Von sieben Toten und 57 Verletzten allein in Kinshasa sprach am Mittag Georges Kapiamba, Vorsitzender der kongolesischen Menschrechtsanwaltsvereinigung ACAJ. Am Abend sprach Innenminister Evariste Boshab in einer ersten offiziellen Bilanz von 17 Todesopfern.

Zu den Verletzten gehören die oppositionellen Parlamentarier Martin Fayulu und Albert Puela. Zu den Toten gehören drei Polizisten, die von Demonstranten gelyncht wurden.

Kongos größtes Oppositionsbündnis Rassemblement (Sammlung), das auf fristgerechte Wahlen noch dieses Jahr drängt, hatte zu den Protesten aufgerufen. Der 19. September ist der Termin, an dem Kongos Wahlkommission spätestens ein Datum zur Neuwahl des Präsidenten festlegen müsste – die zweite und letzte verfassungsgemäße Amtszeit des Präsidenten Joseph Kabila endet am 19. Dezember.

Die Wahlkommission hat stattdessen beim Verfassungsgericht einen Antrag auf Wahlverschiebung auf unbestimmte Zeit gestellt, um erst ein neues Wahlregister unter den 75 Millionen Kongolesen erstellen zu können – was bis mindestens Sommer 2017 dauern würde.

Ein „nationaler Dialog“ zwischen Regierung und Teilen der Opposition über diesen Streit ist festgefahren. Die Opposition vermutet, dass sich Kabila durch eine mehrjährige Wahlverschiebung eine faktische weitere Amtszeit ohne Wahlen sichern will.

Sternmarsch in Kinshasa untersagt

Die Demonstranten in Kinshasa wollten per Sternmarsch am Sitz der Wahlkommission im Stadtzentrum zusammenströmen und dort ein Memorandum abgeben. Es zirkulierte ein „Räumungsbefehl“ des kongolesischen Volkes an den Staatschef, seinen Präsidentenpalast bis zum Abend des 19. Dezember zu verlassen.

Der Gouverneur von Kinshasa hatte die Aufmärsche in den Außenvierteln erlaubt, nicht aber den Sternmarsch ins Zentrum. So kam es an den Punkten, wo schwerbewaffnete Polizei und Präsidialgarde die Demonstranten aufhielten, schnell zu Zusammenstößen. Weil sie nicht weitermarschieren konnten, zündeten Jugendliche reihenweise öffentliche Gebäude in Kinshasa an, darunter mehrere Parteibüros einschließlich des Sitzes der Regierungspartei unweit des Parlaments. Angesichts der Gewalt sprach die Regierung am Nachmittag ein Verbot sämtlicher Kundgebungen in Kinshasa aus.

Zu friedlichen Demonstrationen, hier und da von brennenden Straßensperren begleitet, kam es in mehreren Provinzhauptstädten. Aus Goma berichteten Augenzeugen, die Demonstrationen seien friedlich geblieben – zur Überraschung der Demonstranten, die mit Polizeigewalt gerechnet hätten. Am Nachmittag wurden auch hier gewaltsame Auseinandersetzungen gemeldet.

Regierung Kabila gegen USA

In Reaktion auf die Mobilmachung der Opposition will auch das Regierungslager verstärkt Präsenz auf der Straße zeigen. Am Sonntag rief ein Regierungsabgeordneter zu Massenkundgebungen „aller Patrioten“ für Kabila am kommenden Samstag auf. Der Aufruf richtete sich vor allem gegen den US-Sonderbeauftragten für die Region, Thomas Periello, dessen Regierung dem Kongo mit Sanktionen gedroht hat.

Periello, der sich zu Gesprächen im Kongo aufhielt, wurde am Sonntagabend bei seiner Abreise am Flughafen von Kinshasa vom Parlamentarier Déo Indulu, Exchef der Jugendorganisation der Regierungspartei, bedrängt und beschimpft. Indulu verfolgte den Diplomaten auf das Rollfeld und bedrohte ihn.

Die US-Botschaft erklärte am Montag, sie sei darüber „empört“.

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6 Kommentare

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  • Fortsetzung 3

     

    Und tatsächlich gibt es auch die Kongolesen, die sich tatsächlich wirtschaftlich betätigen und betätigen dürfen. Und ist es nicht tw. der andere Kongolese, der diesen behindert? Diebstahl, Plünderungen, Neid? Trotzdem bin ich, dessen perönliche Meinung unmaßgeblich ist, davon überzeugt, daß die Zivilgesellschaft im Kongo sich durchsetzen wird und das Pflänzchen Demokratie weiter wächst. Das wird nur gelingen, wenn die Zivilgesellschaft im Lande die notwendige internationale Unterstützung erfährt. Sicherlich nicht durch Eingriffe der UN-Truppen. Bleibt insoweit zu hoffen, daß die Andeutungen des französischen Außenministers nur spontane Reaktion ohne Folgen bleiben.

     

    Verehrte Mwanamke, wir gehen also durchaus pari.

  • Fortsetzung 2

     

    Leider haben diese ihre Erkenntnisse offensichtlich nicht an ihren jeweiligen Dienstherren weitergeben - oder warum sonst hat der deutsche Außenminister, der 2015 feierlich eine neue Brunnenanlage im Kongo eingeweiht und humanitäre Hilfe versprochen hat, soweit ersichtlich erstmalig am Mittwoch erschrocken auf die Unruhen reagiert und für die Wahlen künftige Unterstützung zugesagt? An einem Tag, als der 19.09 schon abgeschlossen und damit definitiv sicher war, daß Wahlen in 2016 nicht mehr stattfinden können.

     

    Tatsächlich soll es ausländische Investoren geben, die neben ihrer eigenen Tasche Mitverantwortung sehen und diese auch zeigen. Auch im Kongo. Auch, wenn sie nicht die Regel, sondern die Ausnahme darstellen. Auch diese zarten Pflänzlein müssen wachsen. Solange allerdings der Staat nahezu insolvent und damit wirtschaftlich handlungsunfähig ist, der internationale Unternehmer neben seiner Leistung auch noch sein eigenes Geld mitbringen muss, erliegt mancher den Versuchungen des Kapitals. So medienwirksam seitens Kabila das Anti-Korruptions-Programm präsentiert wurde, so lächerlich wurde es umgesetzt. Ein Tiger ohne Zähne. Die Einführung der Mehrwertsteuer in 2011 hat nur unwesentlich für Einnahmen gesorgt. Andere Steuern? Welche Steuern fließen oder sollen dem Allgemeinwohl dienen? Gerade da wird eine Interimsregierung erste Signale setzen können und müssen.

  • Verehrter Mwanamke, auch die Pflanze Demokratie benötigt Zeit, um zu wachsen. Kabila, bis zur ersten Wahl in 2005 deutliche andere Machtstrukturen gewohnt, hatte offensichtlich bemerkt, dass nicht nur er, sondern das gesamte Gemeinwesen ohne eine solche keine Zukunft haben - bedeutet: Keine internationale Gelder mehr erhalten werden. Dabei dürfte unbestritten sein, daß es dem künftigen 40jährigen "Frührenter" an nichts mangelt oder mangelte. Alte Strukturen benötigen lange, um zu wechseln. Betrachten Sie die vielen wirtschaftlichen und politischen Fehlentscheidungen, die in seinen beiden Regierungszeiten getroffen wurden. Und trotzdem hatte das Pflänzchen Demokratie die Möglichkeit, zart zu wachsen. Auch wenn Teile der Opposition immer wieder behindert werden und weltweite politische und wirtschaftliche Interessengruppen immer ihre Finger auf eines der rohstoffreichsten Länder dieser Welt hielten und halten, wird es nicht nur Neuwahlen verfassungsrechtlich geben müssen, sondern tatsächlich geben - ich hoffe es inbrünstig. Das er sich diesem Druck der Verfassung - und der Demokratie - nicht widersetzten kann, hat Kabila inzwischen nicht nur gehört, sondern - zumnindest mein Eindruck, aber auch meine Hoffnung - auch verinnerlicht. Da hätte es internationaler Hilfe bedurft, um ihn und dem Pflänzchen Demokratie zu unterstützen. Dann wären 37 Menschen nicht gestorben.

     

    Anfang Februar 2016 gabe es - soweit mir Informationen vorliegen - bereits Krisengespräche zwischen den in Kinshasa ansässigen Botschaftern.

  • Kabila hat in den letzten beiden Wochen versucht, unter Beteiligung der Opposition eine Übergangsregierung zu bilden. Offensichtlich war der Zeitdruck zu groß, um kurz vor dem 19.09. noch eine Einigung zu finden. Spätestens seit Juni 2016 war sicher, daß Wahlen in 2016 nicht mehr stattfinden würden. Das Oberste Verfassungsgericht hat Kabila die Möglichkeit gegeben, auch ohne solche Gespräche bis zur regulären Wahl im Amt zu bleiben.

     

    Kabila stand unter Druck, in jedem Fall die Wahlen nicht stattfinden lassen zu können, hat der doch bislang keinen Nachfolger aufgebaut. Eine Verfassungsänderung - wie im benachbarten "Klein-Kongo" - kann er sich nicht leisten, weil er die Folgen - internationale Ausgrenzung - aus nächster Nähe beobachten konnte. Er ist also zweigleisig gefahren, um international das Gesicht zu wahren und gleichzeitig Leistungen der Entwicklungshilfe nicht zu gefährden.

     

    Dabei hat man ihn - obwohl für jeden ersichtlich - "im Regen" stehen lassen. Die Gewalt, die jetzt eskaliert, hätte durch Hilfe der Staatengemeinschaften vermieden werden können. Es wird also möglicherweise nur eine Frage der Zeit sein, wann das Militär nach Art. 64 der Verfassung RDC eingreift - mit nicht absehbaren Folgen. Will man den Kongo nach mühsamen Jahren (und Versuchen) der Demokratie wieder gänzlich zurückfallen lassen, um nach einiger Zeit und hunderttausenden Toten beim Punkt Null wieder mit einem Neuaufbau zu beginnen? Opfer ist die Bevölkerung des Landes, die bislang nur durch die Hoffnung auf Besserungen durchgehalten hat.

     

    Investitionen von außen oder auch Hilfe und Unterstützung von ausländischen Unternehmen oder Investoren wird so für viele Jahre abgeschnitten - und das in einem Land, in dem jedes dritte Kind das 10te Lebensjahr nicht erreicht.

     

    Die, die nicht sterben oder hungern wollen, werden versuchen, nach Europa zu flüchten. Wir schauen also weg und bauen uns selbst neue Probleme aus dem fernen und doch so nahen Afrika auf.

    • @Jens1000:

      Lieber Jens, Sie schreiben in Rätseln. Ich glaube, Kabila (und seine Regierung) hatte bereits 5 Jahre lang Zeit, diese Wahlen vorzubereiten, denn er wusste ja von Anfang an, dass er keine zweite Amtszeit hat. Und er hätte die Möglichkeit gehabt, anderen eine Chance zu geben, sich politisch zu profilieren. Aber das hat er nicht gemacht. Er hat Opposition in jeder nur erdenklichen Weise behindert, und höchsten einen gesprächsbereiten Eindruck gemacht, wenn allzu viel Druck von der internationalen Gemeinschaft kam. Ich weiß nicht wie Sie auf die Idee kommen zu behaupten, die Int. Gemeinschaft hätte Kabila "im Regen stehen lassen" immerhin haben ein internationale Eingreiftruppe und das robuste Mandat der UN vor einiger Zeit Kabilas Macht effektiv gestützt. Die Internationale Gemeinschaft hat bislang sehr eifrig mitgeholfen, die Opposition in der DR Kongo kaputt zu machen oder zumindest zu behindern.

    • @Jens1000:

      Wo sehen Sie eigentlich Demokratie im Kongo (außer im Namen natürlich)?

      Und was meinen Sie mit "Investitionen von außen"...? Ich glaub, die gibt es schon, nur dass auch die entsprechenden Gewinne nach draußen getragen werden und die Menschen im Kongo nicht von diesen Investitionstätigkeiten profitieren. Dagegen gibt es sehr viele Kongolesen, im Land selbst und in der Diaspora, die sich gerne geschäftlich betätigen würden, aber aus politischen Gründen behindert werden. Es sind die Kongolesen selbst, die vernünftige Sicherheiten brauchen, außerdem Infrastruktur, Schulen und medizinische Versorgung. Das haben ausländische Investoren oft versprochen, aber nicht gehalten. Dafür sollte auch der Staat zuständig sein. Und dieser Staat könnte eine Menge leisten, wenn es einen vernünftigen Staatsapparat gäbe, Beamte mit vernünftige Entlohnung, die nicht mehr auf Korruption zum Lebensunterhalt angewiesen sind, und wenn die Steuern zum allgemeinen Wohl der Staatskasse zufließen würden und nicht an einzelne Machthaber, die sich nach Gutdünken bedienen. Natürlich spielen die Industriemächte hier ihr Spiel wie gehabt, vor allem aber, indem sie die Mächtigen eifrig an der Macht halten und mithelfen, Opposition zu behindern.