Proteste in Iran: Gezielte Augenverletzungen

Iranische Ärz­t:in­nen kritisieren die gezielte Verletzung von Demonstrierenden. Einige sollen nach Treffern mit Gummigeschossen erblindet sein.

Eine iranische Flagge

Iranische Flagge bei der WM in Katar Foto: Francisco Seco/ap

BAGDAD/BERLIN ap/dpa/rtr/afp | 140 Augenärzte aus dem Iran haben das brutale Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen Demonstranten angeprangert. Es gebe immer mehr Patienten mit schweren Augenverletzungen, verursacht durch Metall- oder Gummigeschosse, die bei der Niederschlagung der Proteste zum Einsatz kämen, hieß es in einem Brief an den Leiter des Verbands der Augenärzte, aus dem die reformorientierten Nachrichtenseiten „Sobhema“ und „Iran International“ am Samstag zitierten.

„Leider verursachten die Treffer in vielen Fällen den Verlust des Sehvermögens auf einem oder beiden Augen.“ Die Ärzte riefen den Vorsitzenden ihres Berufsverbands auf, ihre Bedenken bei den betroffenen Behörden zur Sprache zu bringen. Es war der zweite derartige Brief iranischer Augenärzte. Den ersten, in dem sie ebenfalls Bedenken über Augenverletzungen bei Demonstranten geäußert hatten, hatten mehr als 200 von ihnen unterschrieben.

Vergangene Woche machte im Internet ein Video der Jura-Studentin Ghasal Randschkesch die Runde, die auf dem Heimweg von der Arbeit in der südiranischen Stadt Banda Abbas von einem Metallgeschoss getroffen wurde und dabei ein Auge verloren haben soll.

Das geistliche und politische Oberhaupt des Iran, Ajatollah Ali Chamenei, hat den Einsatz der Basidsch-Miliz bei den Protesten gewürdigt. „Sie haben ihr Leben aufs Spiel gesetzt, um die Bevölkerung vor Randalierern zu schützen“, sagte Chamenei am Samstag in einer Fernsehansprache. Die Miliz hat Verbindungen zu den Iranischen Revolutionsgarden und geht hart gegen Demonstranten vor.

Fußballer und Aktivist gegen Kaution freigelassen

Berichten zufolge haben die iranischen Behörden am Samstag den Fußballspieler Voria Ghafouri und den Menschenrechtsaktivisten Hossein Ronaghi gegen Kaution freigelassen. Das meldete die iranischen Nachrichtenagenturen Fars in Online-Netzwerken sowie. Auch die Zeitung „Shargh“ meldete die Freilassung Ghafouris. Der iranischen Nachrichtenagentur Isna zufolge wurde die Freilassung von der Justiz mit dem Sieg der iranischen Fußballnationalelf gegen Wales bei der Fußball-WM in Katar begründet.

Ronaghis Bruder Hassan teilte im Kurzbotschaftendienst Twitter mit, sein Bruder sei „heute Nacht gegen Kaution freigelassen worden, um ärztlich behandelt werden zu können“. Seit Wochen stieg die Sorge um Ronaghis Gesundheit, der sich seit mehr als einem Monat im Hungerstreik befindet.

Ghafouri und Ronaghi gehören zu den bekanntesten Iranern und Iranerinnen, die wegen ihrer Unterstützung für die Massenproteste festgenommen worden waren. Der kurdische Fußballspieler Ghafouri, der 28 Mal in der iranischen Nationalmannschaft gespielt hatte, war am Donnerstag wegen des Vorwurfs staatsfeindlicher Propaganda festgenommen worden. Der 37-jährige Ronaghi, der sich für die Meinungsfreiheit einsetzt und unter anderem für die „Washington Post“ schreibt, war am 24. September nach seiner Kritik an der brutalen Niederschlagung der Massenproteste festgenommen worden.

18.000 Festnahmen seit Beginn der Proteste

Auch am Samstag hielten die Proteste laut Veröffentlichungen in sozialen Medien an. Auf Videos, die über das Internet verbreitet wurden, waren Kundgebungen an mehreren Universitäten in Teheran sowie in der im Zentrum des Landes liegenden Stadt Isfahan zu sehen. Die Nachrichtenagentur reuters konnte die Aufnahmen nicht verifizieren.

Entzündet hatten sich die Proteste im Iran am Tod der 22-jährigen Mahsa Amini. Die Kurdin war am 16. September in Polizeigewahrsam gestorben. Die sogenannte Sittenpolizei hatte sie festgenommen, weil sie unangemessen gekleidet gewesen sein soll. Inzwischen haben sich die Proteste zur größten Herausforderung für die geistliche Führung seit der Islamischen Revolution 1979 ausgewachsen.

Laut der den Aktivisten nahestehenden Nachrichtenagentur HRANA zufolge sind bislang 448 Demonstranten getötet worden, davon 63 Kinder. Über 18.000 Menschen seien festgenommen worden. 57 Sicherheitskräfte seien ums Leben gekommen.

Von staatlicher Seite gibt es keine Zahl zu Todesopfern. Ein Regierungsvertreter erklärte am Donnerstag lediglich, dass rund 50 Sicherheitskräfte ums Leben gekommen seien. Die Führung in Teheran macht das westliche Ausland für die Unruhen verantwortlich.

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