Proteste im Iran: Milizen greifen Oppositionspolitiker an
Schüsse, Tränengas und Festnahmen im Iran: Am 31. Jahrestag der Islamischen Revolution ist es zu Kämpfen zwischen Sicherheitskräften und Oppositionellen gekommen.
TEHERAN dpa | Am Rande der offiziellen Feierlichkeiten zum 31. Jahrestag der Islamischen Revolution ist es in Teheran zu Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Oppositionellen gekommen. Augenzeugen und Oppositionelle berichteten auf Webseiten, die Sicherheitskräfte hätten Schüsse in die Luft abgegeben und Tränengas gegen Demonstranten eingesetzt.
Den Angaben zufolge griffen die berüchtigten regimetreuen Basidsch-Milizen die Autos des reformorientierten früheren iranischen Präsidenten Mohammed Chatami und des Oppositionspolitikers Mehdi Karrubi an. Die Politiker blieben aber unverletzt, wie es hieß. Der Bruder des ehemaligen Präsidenten Chatami, Mohammed-Resa Chatami, und dessen Frau Sahra Eschraki seien bei den Protesten festgenommen worden.
Bei den Protesten erschallten Rufe wie "Tod dem Diktator" und "Habt keine Angst, wir stehen zusammen". Nicht nur im Westen Teherans, auch im Zentrum und im Norden kam es den Angaben zufolge zu Zusammenstößen. Mehrere Demonstranten sollen festgenommen worden sein. Auf dem Videoportal YouTube waren Protestrufe in U-Bahnen und auf Straßen und Plätzen zu hören.
Seit der umstrittenen Wiederwahl des erzkonservativen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad im Juni 2009 kommt es immer wieder zu Massenprotesten gegen das Regime. Auch zu den staatlich organisierten Revolutionsfeierlichkeiten waren Demonstrationen erwartet worden, die Sicherheitskräfte kündigten eine hartes Vorgehen an.
Die internationale Presse durfte zwar über die Ansprache Ahmadinedschads auf dem Friedensplatz in Teheran berichten, sich aber kein eigenes Bild von den Demonstrationen der Regimegegner machen. Zudem funktionierte das Internet nur begrenzt, auch konnten kaum SMS verschickt oder Telefonate mit dem Handy geführt werden.
Ahmadinedschad hatte in seiner Rede angekündigt, dass der Iran nun erstes Uran auf 20 Prozent angereichert habe. Dieser Erfolg sei zwei Tage nach Beginn der Anreicherung erzielt worden. "Hiermit erkläre ich, dass es uns gelungen ist, in Natans die erste Charge von auf 20 Prozent angereichertem Uran herzustellen. Diese haben wir an unsere Wissenschaftler weitergegeben", verkündete der Präsident am Donnerstag unter dem Jubel Zehntausender Anhänger bei einer Rede zum 31. Jahrestag der Islamischen Revolution. Über die Menge des 20-prozentigen Urans äußerte sich Ahmadinedschad nicht.
Der Physiker Wolfgang Liebert von der Interdisziplinären Arbeitsgruppe Naturwissenschaft, Technik und Sicherheit an der Technischen Universität Darmstadt hält die schnelle Anreicherung auf 20 Prozent Uran-235 für technisch denkbar. "Wahrscheinlich geht es jetzt erstmal um sehr kleine Mengen", sagte Liebert. "Der Iran hat ja Zentrifugen im Betrieb, und wenn man die geschickt zusammenschaltet, dann kann man durchaus in einem Schritt von schwach angereichertem auf 20-prozentiges Uran kommen." Liebert hält eine Monatsproduktion von auf 20 Prozent angereichertem Uran im Kilogrammbereich im Iran für realistisch - solange genügend schwach angereichertes Uran als Ausgangsmaterial zur Verfügung stehe.
Ahmadinedschad warf dem Westen vor, den Iran bei der Anreicherung von Uran behindert zu haben, obwohl dies dem islamischen Land zustehe. Teheran hätte auch angereichertes Uran gekauft, doch dies sei abgelehnt worden, nun habe der Iran selbst mit der Produktion von höher angereichertem Uran begonnen, das er für seien medizinischen Forschungsreaktor brauche. Zehntausende Anhänger des Regimes jubelten dem Präsidenten bei seiner Rede auf dem Friedensplatz in Teheran zu.
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