Proteste gegen korrupte Politiker im Irak: Regierung in Bagdad unter Druck
Der Süden des Irak ist reich, doch davon kommt zu wenig bei den einfachen Bürgern an. Jetzt gibt es dort Proteste gegen die korrupte Führung.
„Genug ist genug“ haben jetzt viele gesagt. Seit mittlerweile zehn Tagen gehen Tausende auf die Straßen, um ihren Forderungen nach besseren Dienstleistungen und nach Arbeitsmöglichkeiten Gehör zu verschaffen. Es sind nicht die ersten Proteste im Südirak, aber noch nie waren sie so groß und umfassten mehr oder weniger die gesamte mehrheitlich schiitische Region. Begonnen hatten die Proteste am Sonntag voriger Woche, als Demonstranten den Zugang zu einem Ölfeld bei Basra blockierten. Von dort aus breiteten sie sich auf weitere Ölfelder, die zusammen mehr als die Hälfte der irakischen Ölexporte liefern, auf den Hafen von Umm Qasr sowie alle neun Provinzhauptstädte des Südens aus.
Um die Lage zu beruhigen, kündigte der amtierende Ministerpräsident Haider al-Abadi eine Sofortüberweisung von umgerechnet 2,94 Milliarden Dollar nach Basra an und versprach die Schaffung von Tausenden von Arbeitsplätzen. Nach einer Sitzung mit Vertretern der verschiedenen politischen Blöcke kündigte er zudem ein Reformprogramm an, das dem Südirak mehr Strom und sauberes Wasser bescheren soll. Dabei tat er, was irakische Regierungschef immer tun, wenn sie unter Druck geraten: Er gründete ein Ausschuss.
Beeindruckt hat er die Demonstranten nicht. Hunderte blockierten am Dienstag die Zufahrt zu einem weiteren Ölfeld nahe Basra. Im rund 370 Kilometer nordwestlich gelegenen Diwaniya stürmte eine aufgebrachte Menge den Sitz der Provinzregierung. Obwohl die Proteste großteils friedlich sind, entlud sich der Zorn an manchen Orten in den letzten Tagen in Gewalt. Dabei steckten sie die Büros von schiitischen Parteien in Brand, die sowohl die Regierung in Bagdad wie die Provinzregierungen dominieren, und legten den Flughafen der Pilgerstadt Najaf lahm. Jordanien und Iran stellten die Flüge dorthin ein.
Bilder zeigen brutale Polizeieinsätze
Die Wut richtete sich aber auch gegen schiitische Milizen, die mit Iran verbündet sind. Die Regierung hat Tausende von Soldaten und Mitgliedern von Eliteeinheiten in die Region geschickt. Mindestens acht Personen wurden getötet und Hunderte verletzt. Inzwischen hat Abadi Befehl erteilt, keine scharfe Munition zu verwenden. Doch Bilder aus der Region zeigen, wie Soldaten und Polizisten brutal mit Holzstöcken auf Demonstranten losgehen. Der Sprecher der berüchtigten Miliz Asaib Ahl al-Haqq drohte am Dienstag den Demonstranten offen mit Gewalt. „Wir werden denen, die unsere Büros angreifen, die Hände abhacken“, sagte Scheich Saidi. „Wir werden dafür niemanden um Erlaubnis fragen.“
Regierungsvertreter wie Milizionäre verbreiten Verschwörungstheorien, denen zufolge ausländische Mächte hinter den Protesten steckten – oder ihre politischen Gegner im Irak. Tatsächlich richten sie sich gegen das gesamte schiitische Establishment, das seit dem Sturz des früheren Despoten Saddam Hussein 2003 die Geschicke des Landes leitet. Selbst der schillernde Geistliche Moktada al-Sadr, der versuchte auf den fahrenden Zug aufzuspringen, blieb nicht verschont. Die Proteste seien eine „Revolution der Hungerleidenden“, erkärte Sadr. In Naseriya ergriff der Gouverneur, ein Sadrist und angeblicher Saubermann, die Flucht, nachdem eine Menge vor seinem Sitz aufmarschierte.
Politiker aus Sadrs Umfeld haben freilich genauso Millionen in die eigenen Taschen gewirtschaftet wie andere Politiker auch. Milliarden, die für den Ausbau des Stromnetzes und andere Wiederaufbaumaßnahmen gedacht waren, sind in den letzten Jahren in dunklen Kanälen versickert. Bisher wurde kein einziger Politiker für die Korruption zur Verantwortung gezogen. Dutzende von Demonstranten wurden in den letzten Tagen verhaftet. Vielleicht gelingt es der Regierung die Protestwelle mit Repression einzudämmen. So lange die heutige politische Klasse weiter macht wie bisher, wird sie die Geister, die sie mit ihrer Unfähigkeit rief, freilich nicht los.
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