piwik no script img

Proteste gegen Nahost-KonfliktMehr als 1.100 Straftaten

Innenministerin Faeser drängt auf eine schnelle Verurteilung der Täter. Und will weitere Versammlungsverbote aussprechen.

BKA-Vizepräsident Peter und Innenministerin Faeser bei einer Pressekonferenz am 20. Oktober Foto: Andreas Arnold/dpa

Berlin/Wiesbaden afp/dpa/taz | Bei den Protesten zum Nahost-Konflikt sind in Deutschland bislang mehr als 1.100 Straftaten registriert worden. Dies gab Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Freitag in Wiesbaden bekannt. Es handle sich um vorläufige Zahlen, vielerorts liefen Ermittlungsverfahren. Sie mahnte eine rasche Verurteilung der Täter an. „Die Strafverfolgung muss auf dem Fuß folgen“, sagte Faeser. Allein in Berlin habe es hunderte vorläufige Festnahmen gegeben, mehr als 100 Polizeikräfte seien in der Stadt verletzt worden.

Die Innenministerin sprach sich zudem für weitere Versammlungsverbote aus – „um Terrorpropaganda und Gewalt zu verhindern“. Bislang seien in diesem Kontext 46 solche Verbote verhängt worden. Laut Faeser gab es seit den Terrorangriffen der Hamas auf Israel am 7. Oktober insgesamt schon 211 pro-israelische und 129 pro-palästinensische Veranstaltungen.

Die Ministerin will zudem „aufenthaltsrechtliche“ Konsequenzen durchsetzen: „Wenn wir Hamas-Anhänger ausweisen können, dann müssen wir das auch tun.“ Das Bundeskriminalamt (BKA) werde weiter die Online-Kanäle der Hamas und ihrer Unterstützer sperren, auch werde die islamistische Szene noch stärker in den Fokus genommen.

Keine Hinweise auf Anschläge

Dem BKA-Vizepräsidenten Jürgen Peter zufolge gibt es dabei weiterhin keine Anzeichen einer konkreten Gefährdung. „Wir haben keinen Hinweis auf einen konkret bevorstehenden Anschlag“, sagte er in Wiesbaden. Die aktuelle Lage sei jedoch „sehr, sehr volatil“ und werde deshalb sehr eng beobachtet und analysiert. In Berlin und anderen deutschen Städten, darunter Frankfurt und Nürnberg, kam es seit dem Großangriff der Hamas auf Israel immer wieder zu pro-palästinensischen Protesten.

Die Berliner Polizei setzt ihre Strategie der Verbote von palästinensischen Demonstrationen derweil fort. Zwei für Samstag angemeldete Versammlungen in Berlin-Mitte wurden untersagt, wie die Polizei am Freitag mitteilte. Auch jede Ersatzveranstaltung dafür ist demnach bis zum 30. Oktober verboten.

Betroffen ist eine Demonstration mit dem Titel „Frieden in Nahost – Waffenstillstand in Nahost – Zwei-Staaten-Lösung“, zu der die Veranstalter nach eigenen Angaben rund 250 Menschen vor dem Brandenburger Tor erwartet haben. Auch die Versammlung „Kinder, in Gaza brauchen Hilfe gemeinsam helfen wir Kinder“ auf dem Alexanderplatz wurde untersagt. Ähnliche Titel trugen schon frühere Demonstrationen palästinensischer Gruppen, die nicht stattfinden durften. Das erneute Verbot gelte auch für Ersatzveranstaltung bis zum 30. Oktober, teilte die Polizei mit. Nach Angaben der Behörde hatte sie zuvor sieben von acht für Donnerstag angekündigten Versammlungen untersagt.

Ungeachtet der Demo-Verbote war es in den vergangenen Tagen immer wieder zu pro-palästinensischen Ansammlungen und Gewaltausbrüchen in Berlin gekommen. Polizistinnen und Polizisten seien auch am Freitag stadtweit unterwegs, um genehmigte Kundgebungen zu schützen und erlassene Versammlungsverbote durchzusetzen, teilte die Polizei auf der Plattform X, früher Twitter, mit. Unterstützt werde die Berliner Polizei dabei von der Bundespolizei sowie Einsatzkräften aus Brandenburg und Sachsen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Das Recht der freien Meinungsäußerung ist wohl etwas ausgehöhlt worden:

    Es ist nicht verboten zum aktuellen Terror der Hamas und der Hisbollah zu schweigen.

    Derzeit habe ich aber Angst die Frage zu stellen, wie es soweit kommen konnte, dass ein so großer Teil der palästinensischen Bevölkerung sich so sehr radikalisieren konnte, dass er zu solchen Taten gegen Nichtbeteiligte fähig ist.

    Die Antwort auf diese Frage wurde schon oft gesucht und unterschiedlich beantwortet. Darf man derzeit Maßnahmen der israelischen Regierung und der radikalen Religiösen als Teil der Antwort aufführen? Ich will da der Einfachheit halber nur einen historisch unkorrekten Zeitraum betrachten. Ich nehme die Zeit seit der Ermordung des israelischen Premiers Rabin bis zum Beginn des jetzigen Terrors.

    Aber an eine mir korrekt erscheinende Aufzählung wage ich mich nicht heran. Zu viele Äußerungen, die außer Verurteilung der palästinensischen Aktivisten andere Fakten beinhalten, wurden in den vergangenen Tagen in den Medien verurteilt. Auch die Politiker beeilen sich in dieser Hinsicht tätig zu werden und Strafverschärfungen für solche Vergehen zu verkünden.

    Dazu möchte ich noch schreiben, dass ich die Situation der Bevölkerung im Westjordanland kenne - allerdings nicht die in Gaza. Ich habe Angst, dass eine falsche Formulierung mich zu einem Befürworter von Gewalt abstempeln könnte.