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Proteste gegen Immobilien-LobbyWo Profiteure und Betroffene aufeinandertreffen

Marco Fründt
Kommentar von Marco Fründt

In Berlin trifft sich gerade die Spitze des weltweiten Vermietungskapitals. Mie­te­r:in­nen ziehen dagegen auf die Straße.

Keine Profite mit der Wohnungsnot, fordern De­mons­tran­t:in­nen Foto: Christophe Gateau/dpa

D ie Ver­wal­te­r:in­nen von insgesamt 50 Milliarden Euro, erwirtschaftet durch das Wohnen von Menschen, finden sich derzeit bei zwei Großevents in Berlin zusammen. In der „Hauptstadt des Privatkapitals“, wie es auf der Webseite des „SuperReturn“ heißt. Mehr Möglichkeiten, mit Wohnen Geld zu machen, gebe es nirgends sonst auf der Welt.

„Super Return“, so der Name der Konferenz, bezeichnet in der Fachsprache der Branche einen Profit, der die Erwartungen noch übertrifft. Wie das gelingen kann, darum soll es bei der mehrtägigen Veranstaltung gehen. Sprechen sollen unter anderem der U2-Sänger Bono und der Ex-Profiautofahrer Nico Rosberg.

Zwischen den „Peptalks“ strömen die blau Beanzugten aus dem InterContinental am Tiergarten nach draußen, Networking ist angesagt. Nur die Hälfte von ihnen tut das persönlich, die andere, lautere, redet aufgeregt ins Smartphone: den großen Tipp fürs große Geld weitergeben. Oder lieber für sich behalten, schließlich kostet ein Ticket für die „SuperReturn“ um die 8.000 Euro.

Ob sich das lohnt, bleibt unklar, denn mit der taz sprechen möchte hier lieber niemand. Auf die Frage, ob die In­ves­to­r:in­nen wenigstens Trinkgeld geben, muss eine Servicemitarbeiterin nur lachen: „Ne“, sagt sie abwinkend.

Bundesweiter Mietendeckel gefordert

Gegenüber des Hotels haben sich rund 300 Menschen versammelt, die dem Demoaufruf gegen „Mietenwahnsinn, Finanzwahnsinn, Lobbywahnsinn“ gefolgt sind. Sie fordern einen bundesweiten Mietendeckel, eine Abschaffung des Paragrafen 559 BGB, der Mieterhöhungen nach Modernisierungsmaßnahmen erlaubt und, dass Wohnen kein Privileg, sondern ein Recht bleibt.

„Unser Zuhause ist unkündbar“, steht auf einem Pappschild. Unter den Demonstrierenden sind Alte, Junge, Menschen mit und ohne Behinderung, Aktivist:innen, Rentner:innen, Punks ­– so divers wie die von der durch Immobilienspekulation angeheizten Wohnungsnot Betroffenen eben. Über die Hälfte der Menschen in Deutschland wohnt schließlich zur Miete, in der Hauptstadt sind es sogar fast 85 Prozent.

Die blau Beanzugten gegenüber sind hingegen ganz und gar nicht divers: mehrheitlich weiß, männlich und jenseits der 40. Die Polizei ist großzügig vertreten, für den Fall, dass ein ra­di­ka­ler Mie­te­r ausrastet. Die Blauen lässt die Polizei aber unbehelligt weiter netzwerken und mutmaßlich – neu gelernte – Steuertricks austauschen.

Diskriminierung gegen Lobbyisten

Nur eine Wanne bleibt zurück, als die Demonstration weiterzieht zu den – aufs Gendern kann hier verzichtet werden – Kollegen, die im Friedrichstadt-Palast den „Tag der Immobilienwirtschaft“ begehen. Zum „jährlichen Highlight der Immobilienbranche“, wie die Veranstaltenden schreiben, sind mehr als 30 „hochkarätige Speaker“ geladen, neben Lob­by­is­t:innen und „Fachleuten“ auch Ver­tre­te­r:in­nen aus Politik und Verwaltung, darunter auch Bundesminister:innen.

Bei dem Kongress soll es um Anstöße gehen, „um den Herausforderungen der Branche entschlossen entgegenzutreten“, heißt es in der Einladung. Für die Ge­gen­de­mons­tran­t:in­nen wird dort jedoch der „Mietenwahnsinn“ produziert. In ihren Augen treffen sich dort die „Profiteure der Wohnungsnot mit den Spitzen aus Politik und Verwaltung“. Sowohl beim Immobilientag als auch beim „SuperReturn“ würde der Rahmen gesetzt, um Mie­te­r:in­nen noch effektiver auszubeuten.

Nur eine Handvoll Immobilientag-Teilnehmer:innen gesellt sich nach draußen, um die Demo zu beobachten. Als eine Demonstrantin ihnen zuruft, sie sollten aus Berlin verschwinden, geht ein Polizist schützend dazwischen: Nur vom rosafarbenen Anzug und dem Teilnahmeausweis darauf zu schließen, es handele sich um Lobbyisten, sei Diskriminierung, findet er.

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Marco Fründt
Seit November 2024 Volontär der taz Panter Stiftung. Studierte Politik- und Erziehungswissenschaften in Bielefeld und Thessaloniki sowie Neogräzistik in Berlin. Derzeit im Berliner Lokalteil. Schwerpunkte: Erinnerungspolitik, Inklusion und der griechischsprachige Raum.
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