Proteste gegen Guatemalas Präsidenten: Putsch gegen Guatemalas Justiz
Mit dem Vorgehen gegen die Juristenkomission Cicig versucht Guatemalas Präsident, sich selbst zu schützen. Dagegen gehen Tausende auf die Straße.
Morales und eine korrupte Clique aus Militärs, Unternehmern und Politikern versuchen derzeit, die Uhren in Guatemala zurückzudrehen. Sie gehen aufs Ganze, um korrupte Seilschaften zu erhalten und sich vor Strafverfolgung zu schützen. Deshalb haben sie alle Hebel in Bewegung gesetzt, um die UN-Kommission gegen die Straflosigkeit in Guatemala (CICIG) und deren Direktor Iván Velásquez loszuwerden.
Ende August weigerte sich Morales, das Mandat für die Arbeit der Kommission zu verlängern. Dann erklärte er CICIG-Direktor Velásquez zur „unerwünschten Person“, und am 4. September deklarierte er ihn zum „Sicherheitsrisiko“ für Guatemala und wies die Behörden an, ihn nicht einreisen zu lassen.
Sternstunde der Demokratie mit fragwürdigen Folgen
Dagegen laufen in Guatemala landesweit Proteste, nicht nur in der Hauptstadt, sondern auch in den großen Städten des Landes wie Quiché, Quetzaltenango oder Chiquimula. „Straßenblockaden und Demonstrationen mit mehreren Tausend Teilnehmern im Innern des Landes sind seit drei Wochen an der Tagesordnung. Die Demonstration gestern war ein starkes Zeichen der Zivilgesellschaft“, sagt Michael Mörth. Mörth, Jurist und Berater einer Menschenrechtskanzlei in Guatemala Stadt, lebt seit mehr als zwanzig Jahren in dem mittelamerikanischen Land und gehört zu denen, die sich vor mehr als 16 Jahren für die Einsetzung einer internationalen Kommission zur Stärkung des Justizsystems engagiert haben.
Die hat gute Arbeit geleistet. So haben die Ermittler der CICIG im September 2015 stichhaltige Beweise für ein gigantisches Korruptionsnetzwerk vorgelegt, hinter dem der damalige Präsident Otto Pérez Molina und seine Vizepräsidentin Roxana Baldetti Elías standen. Pérez Molina musste Anfang September 2015 nach Massendemonstrationen zurücktreten, Baldetti Elías wurde bereits zuvor verhaftet.
Diese Sternstunde der Demokratie hat aus heutiger Perspektive allerdings einen schalen Beigeschmack, denn sie spülte einen politischen Newcomer an die Macht, der heute im Präsidentenpalast sitzt: Jimmy Morales. Der ehemalige Fernsehkomiker und evangelikale Laienprediger trat mit dem Slogan „Weder korrupt noch ein Dieb“ im September 2015 zu den Präsidentschaftswahlen an.
Ihm und seiner Partei der nationalen Versöhnung“ (FNC) gingen die Wähler auf den Leim. Sie stimmten für den Newcomer und gegen die traditionellen politischen Seilschaften, übersahen dabei aber, dass hinter Morales Militärs stehen, die für zahlreiche Menschenrechtsverletzungen während des Bürgerkrieges (1960-1996) mitverantwortlich sind. Korruptionsbekämpfung und die Stärkung des Justizsystems, der zentrale Auftrag der CICIG, lag alles andere als in deren Interessen.
Vorwurf: illegale Parteienfinanzierung
Als die Justiz basierend auf Recherchen der CICIG-Ermittler dann im August 2017 erstmals einen Antrag auf Aufhebung der Immunität gegen den Präsidenten wegen illegaler Parteienfinanzierung stellte, war das Tischtuch zerschnitten. Frostig wurde der Ton, feindlich das Vorgehen. CICIG-Direktor Velásquez wurde zum ersten Mal zur „unerwünschten Person“ erklärt, seine Ausweisung verfügt. Erfolglos, weil das Verfassungsgericht den Präsidenten zurückpfiff.
Nun hat sich die Episode Ende August wiederholt. Nur diesmal kündigte Jimmy Morales gleich an, dass er ein Urteil der Richter nicht akzeptieren würde. Als die Richter am vergangenen Montag die Anweisung des Präsidenten, Iván Velásquez die Einreise zu verweigern, als nicht verfassungskonform erklärten, forderte die Regierung die UN auf, binnen 48 Stunden einen neuen CICIG-Direktor zu ernennen. „Ein kaum kaschierter Bruch der Verfassung“, so Michael Mörth. Darauf reagierte UN-Generalsekretär Antonio Guterres am Mittwoch und stellte sich vor Velásquez.
Doch in Guatemala kursiert aus dem Umfeld der Botschaften das Gerücht, dass Morales das Einreiseverbot gegen Velásquez nicht aufheben wird – womit der Putsch gegen die Justiz real wäre.
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