Protestcamp in Berlin: Zelten fürs Aufenthaltsrecht
Mit einem Camp am Heinrichplatz wollen Flüchtlinge auf ihre Situation aufmerksam machen: Die Unterkünfte sind häufig überlastet, die sanitären Anlagen mitunter mangelhaft.
Navid Ghubar* räumt auf. Er stopft leere Pfandflaschen in eine Plastiktüte, rollt seinen Schlafsack ein und kehrt mit dem Besen Laub und Papierschnipsel zusammen. Dann ist sein Wohnzimmer sauber. Seit Freitag ist das ein weißes Pavillonzelt am Kreuzberger Heinrichplatz, in dem Navid Ghubar und vier andere Flüchtlinge im Wechsel übernachten. Sie protestieren hier gegen die Situation in den Berliner Flüchtlingsheimen, in denen sie sonst untergebracht sind. Auch auf die Residenzpflicht, jahrelang andauernde Asylverfahren und Abschiebungen wollen sie aufmerksam machen.
Als „Flüchtlingsstreik“ bezeichnen die Migranten selbst die Aktion. In anderen deutschen Städten wie Würzburg, Regensburg oder Düsseldorf gibt es bereits seit März ähnliche Protestzelte, mit denen Flüchtlinge auf ihre Lebensumstände aufmerksam machen. Das Camp in Berlin wird von der Karawane organisiert, einem bundesweiten Netzwerk, in dem sich Flüchtlinge, Migranten und Deutsche zusammengeschlossen haben, um die Rechte Asylsuchender zu vertreten. Auch der Berliner Flüchtlingsrat unterstützt die Streikenden. In anderen Städten organisieren Flüchtlinge die Camps selbst.
Navid Ghubar kam vor anderthalb Jahren aus Afghanistan nach Berlin. Seitdem lebt er in einer Sammelunterkunft, in der das Landesamt für Gesundheit und Soziales Asylbewerber unterbringt. Eigentlich sollen die Flüchtlinge dort nur für die ersten drei Monate bleiben. Danach haben sie in Berlin das Recht, in eine eigene Wohnung zu ziehen, während über ihren Asylantrag entschieden wird. Doch eine Wohnung findet auf dem angespannten Mietmarkt kaum einer. Derzeit leben deshalb in der Stadt etwa 3.500 Menschen mit ungesichertem Aufenthaltsstatus in Wohnheimen und Sammelunterkünften.
Defekte Sanitäranlagen
Die Einrichtungen sind häufig überlastet, auch Navid Ghubar erzählt von unerträglichen Zuständen. Duschen und Toiletten seien regelmäßig defekt, viele Bewohner würden deshalb unter Hauterkrankungen leiden oder psychische Probleme haben. Im Protestzelt will er bleiben, solange es geht: „Wir müssen für unsere Rechte kämpfen“, sagt er.
Nachmittags ist immer viel los am Zelt, Freunde und Unterstützer kommen vorbei. Passanten bleiben am Tisch mit Flugblättern und Broschüren stehen, auch die Anwohner würden positiv auf die Aktion reagieren, sagt Ghubar. Abends finden Diskussionen und kleine Konzerte statt.
Die Streikenden richten sich darauf ein, länger auf dem Heinrichplatz zu bleiben: Im Zelt stehen alte Sofas, an den Plastikwänden hängen Transparente und der Essensplan für die nächste Woche, eine Luftmatratze dient als Bett. Wie lange die Aktivisten hier bleiben können, ist trotzdem unklar: Die Stadt hatte nur einen Infostand genehmigt – Navid Ghubar und die anderen kamen dennoch. Sie hoffen, dass es für sie endlich eine Wohnung gibt und sie nicht in die Heime zurückkehren müssen.
*Name geändert
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