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Protestbewegung in FrankreichTroadix, der Gallier

Christian Troadec ist Bürgermeister von Carhaix, einem Dorf, das gegen Paris Ökosteuer kämpft. Es tut dies mit an Sturheit grenzender Hartnäckigkeit.

Rote Mütze, bretonische Flagge – es geht beim Protest auch um die Autonomie der Region. Bild: ap

PARIS taz | Monsieur le Maire, Christian Troadec (47), gibt in der Brasserie neben dem Rathaus von Carhaix eine Runde aus. „Kosten Sie das Coreff-Bier, das wird aus biologischer Gerste der Bretagne gebraut.“ Davon versteht der Bürgermeister einiges, denn ihm hat die Coreff-Brauerei bis 2008 gehört.

Er muss nicht unnötig auf die lokalchauvinistische Pauke hauen. Alle wissen hier, dass er ein stolzer Bretone ist. Seine drei Kinder gehen selbstverständlich in die „Diwan“-Schule, wo in Bretonisch unterrichtet wird. In seiner Stadt sind alle Hinweisschilder zweisprachig. Bei seiner Reklame für Coreff geht es ihm mehr darum, dem auswärtigen Besuch zu zeigen, dass seine Region Qualitätsprodukte hervorbringt, die immer eine Zukunft haben werden.

Dem Ziel, seine Stadt mit ihren 8.000 Einwohnern und die Bretagne gegen die internationale Konkurrenz und notfalls die Pariser Zentralmacht zu verteidigen, widmet sich dieser etwas bullige Mann mit einer an Sturheit grenzenden Hartnäckigkeit. Diesen Charakterzug schreibt er schmunzelnd seinen bäuerlichen Vorfahren zu.

Er konnte studieren, wurde dann Journalist und gründete seine eigene Wochenzeitung Le Poher, nach dem Landstrich um das Städtchen Carhaix. Und mit dem Erlös aus dem Verkauf der erfolgreichen Publikation an die bretonische Pressegruppe „Le Télégramme“ konnte er sich den Traum erfüllen, Bierbrauer zu werden.

Bierbrauer und Rockfan

Doch das war nicht sein einziges Lebensziel. 1992 gründete er mit Freunden das Sommerfestival „Les Vieilles Charrues“ (Alte Pflüge), das mit mehr als 200.000 Besuchern auf einer Wiese vor Carhaix zu den größten Rockevents in Frankreich gehört und 2014 Elton John als Stargast im Programm hat. Kein schlechter Erfolgsausweis für Troadec, der seit 2001 als „unabhängiger linker“ Regionalist als Bürgermeister gewählt wurde.

Die Bretagne ist seine Leidenschaft. Er holt ein altes Pergament hervor, auf dem die revoltierenden Bauern des 17. Jahrhunderts, die „Bonnets rouges“, dem Sonnenkönig ihre Forderungen übermittelt hatten. Das war die Inspiration, um die roten Mützen als Sinnbild für den aktuellen Widerstand gegen eine Steuer einzusetzen, welche ihm den Interessen der Bretagne abträglich erscheint.

Für eine autonome Bretagne

Schon 2008, als im Rahmen von Umstrukturierungsplänen das Krankenhaus von Carhaix mitsamt Entbindungsklinik geschlossen werden sollte, sah Troadec rot. Nach einem langen Kampf gegen die Verwaltung der Region und der Hauptstadt setzte er sich vor Gericht durch.

Mit dem Kampf gegen die verhasste „Ökosteuer“ möchte Troadec heute auch den Kampf für eine „verstärkte Regionalisierung und für mehr institutionelle und finanzielle Autonomie für die Bretagne“ gewinnen.

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4 Kommentare

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  • Ökosteuern:

    die Umwelt belastende Motoren, Anlagen und Produkte sollten besteuert werden, als marktkonforme Methode, um Umweltschonende Fahrzeuge, Produkte zu fördern.

     

    Die linken Forderungen sollten v.a. Umverteilung von den Reichen zu den Armen in großen Maßstab sein.

     

    Die Rechten Macchiavellis werden sich bereichern und abhauen wie Ronald Schill...

  • Kaum betrifft es Franzosen, ist es pittoresk, aber wer hierzulande unter Berufung auf Traditionen gegen den Menschheitsfortschritt in Gestalt von Ökoabgaben oder bereichernden Ausländern ist, ist ewiggestrig und verbohrt. Wieder ein Fall von Trittinismus,

  • hm, mich hätte jetzt eigentlich interessiert, wie diese "Ökosteuer" denn aussieht, zahlt man da auf die Bio-Gerste eine Steuer, weil ökologisch, oder wie darf ich das verstehen??!

  • G
    Gast

    Der Sozialist Hollande erhöht die Steuern und will so die Wirtschaft ankurbeln. Selten so gelacht. Wir erleben in Frankreich gerade, was uns auch in Deutschland noch blühen kann: Deindustrialisierung, weich abgefederter, großer Beamtenbereich, Drangsalierung der bestehenden Unternehmen und zuletzt sinkende Staatseinnahmen.

     

    Warum sollte man sich dort (und auch hier) selbständig machen? Wer, wie Hollande, noch nie richtig gearbeitet hat (also auf eigenes Risiko und mit eigenem Geld), der glaubt tatsächlich, dass die arbeitenden Verrückten auch so verrückt sind, ihn und Konsorten weiter zu sponsern. So verrückt sind sie dann doch nicht.

     

    Die Rechte wird in Europa einen steilen Aufstieg erleben. Weil die Linken gerade total versagen.