Protestbewegung bleibt ohne Camp: Occupy besetzt nichts

Polizei und Bezirk verbieten Protestcamp. Die Bewegung will neuen Antrag stellen, aber keine Zelte zur Demo mitbringen.

Zeltlose Bewegung: Ein paar Okkupierer vor dem Reichstag Bild: dpa

BERLIN taz | Der Krisenprotest bleibt in Berlin weiter obdachlos. Am Freitag untersagten Polizei und der Bezirk Mitte die Errichtung eines Zeltlagers der Occupy-Bewegung südlich des Bundeskanzleramts. Protestiert werden soll trotzdem: Am heutigen Samstag um 13 Uhr treffen sich die Bankenkritiker am Brandenburger Tor. Von dort wollen sie vor den Bundestag ziehen, wo eine Kundgebung gegen die Macht der Finanzmärkte starten soll. Erwartet werden erneut mehrere tausend Teilnehmer.

Bereits am letzten Wochenende hatten sich die Antikapitalisten auf der Reichstagswiese versammelt. Ein spontanes Aufstellen von Zelten scheiterte an der Polizei: Die Beamten beschlagnahmten die Zelte, später wurde die "Asamblea" ganz geräumt. Daraufhin beantragten die Protestler diese Woche ganz offiziell ein Camp, diesmal fernab der Bundestagsbannmeile, auf der Wiese südlich des Bundeskanzleramts: für bis zu 75 Zelte und 500 Teilnehmer, Dauer erst mal einen Monat.

Das Bezirksamt Mitte argumentierte allerdings: Das Camp sei keine Sondernutzung von Grünflächen, sondern eine politische Demonstration. Damit sei die Versammlungsbehörde zuständig. Dort lehnt man das Protestcamp ab. "Die Zelte stehen in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der politischen Willensbekundung", teilte ein Polizeisprecher mit. Würden Demonstranten am Samstag dennoch Zelte mitbringen, würden diese sichergestellt.

Am Freitag um 17 Uhr wollte Christian Achilles sich persönlich vorstellen. Vorm Bundestag, dort wo die Asamblea der Occupy-Protestler zusammensaß, so wie die Tage zuvor auch. Allein: Achilles kam nicht, zumindest nicht bis Redaktionsschluss.

Einen Tag zuvor hatte sich der Leiter der Kommunikationsabteilung des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands per E-Mail bei den Bankenkritikern gemeldet. "Sehr geehrte Damen und Herren, hallo Occupy-Bewegung", schrieb Achilles. "Sie befassen sich derzeit in vielen Aktionen intensiv mit der Finanzwirtschaft. Dies ist ein Thema, mit dem wir uns naturgemäß auch intensiv auseinandersetzen." Deshalb würde er gerne einen Gesprächstermin zum "Meinungs- und Informationsaustausch" anbieten. Immerhin hätten die Sparkassen ja auch einige "abweichende Positionen hinsichtlich der Beurteilung und Regulierungsansätze der internationalen Finanzmärkte". Flugs landete das Schreiben auf diversen "Occupy"-Blogs.

Es sei "ganz normales Geschäft", dass sich die Sparkassen mit "gesellschaftlich relevanten Partnern" austauschten, erklärte Achilles am Freitag der taz. Auch mit Attac oder Verbraucherverbänden habe man sich schon getroffen. "Ich würde einfach gerne sehen, welche Positionen die Bewegung vertritt." Auch wenn man nicht alle Punkte teilen werde, seien ja auch die Sparkassen der Ansicht, dass die Finanzwirtschaft eine "dienende Funktion" habe müsse, dass "Auswüchse" reguliert werden müssten.

Eine PR-Aktion? Achilles verneint: Nicht die Sparkasse habe die Anfrage veröffentlicht, sondern die Blogger. Die antworten zwiespältig. "Das klingt ja erst mal beispiellos", kommentiert eine Nutzerin. Andere betonen, dass auch die Sparkassen keine weiße Weste hätten. Achilles dürfe sich auf "unangenehme Fragen" gefasst machen. (KO)

Flyer werben für Camp

Täglich trafen sich in der letzten Woche "Occupy"-Protestler vor dem Bundestag. Auch am Freitag waren es knapp 50 Anhänger. Zu Wort meldete sich auch die Anmelderin des verbotenen Protestcamps. Sie appellierte an die Teilnehmer, bei der Großdemo am Samstag auf das Besetzen mit Zelten zu verzichten. Stattdessen werde eine zweite Anmeldung für das Zeltlager unternommen, auf dem Pariser Platz oder dem Alexanderplatz. Die Frau appellierte, noch mal mit den Behörden zu kooperieren, statt auf Konfrontation zu setzen. Das fand den Applaus der meisten Asamblea-Teilnehmer. Auf Flyern wird dagegen geworben: "Campen wir zusammen!"

Etwa 150 Leute hätten sich zuletzt täglich vor dem Bundestag versammelt, erzählen Anwesende. Die Bewegung habe inzwischen Struktur erhalten, es hätten sich Arbeitsgruppen gebildet, sagt Frank, der jeden Tag dabei war. Von konkreten Forderungen ist "Occupy" aber noch weit entfernt - und das ist auch gewollt: "Ich weiß nicht, was die Lösung ist, aber ich möchte über das Problem sprechen", beschreibt Frank sein Anliegen.

Der Bezirk Mitte verscheuchte auch schon andere von der Bundestagswiese: 2008 untersagte das Bezirksamt ein Gelöbnis auf der Rasenfläche, offiziell wegen "Übernutzung". Politisches Zelten ist in Berlin aber auch anderenorts praktisch unmöglich. Auf dem Alexanderplatz wurde erst im Mai ein Anti-Atom-Camp untersagt, im August auch ein Protestzeltlager "für echte Demokratie".

Die Linkspartei kritisierte das rigide Vorgehen. Das Bundesverfassungsgericht habe längst befunden, dass auch Camps oder Sitzblockaden unter das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit fallen, so Linken-Innenexpertin Marion Seelig. Offenbar aber sei die Polizei mit diesen "neuen, friedlichen Protestformen überfordert". Seelig will dies zum Thema im Innenausschuss machen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.