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ProtestKiel droht kultureller Kahlschlag

Gegen die fürs Jahresende geplante Schließung der Stadtgalerie Kiel hat sich ein siegessicherer Förderverein gebildet. Denn der Einspar-Effekt wäre minimal, andererseits ginge eine Institution verloren, deren Renommee in den gesamten Ostseeraum hineinreicht.

Kulturelles Zentrum unterm Damoklesschwert: die Stadtgalerie in Kiel von innen. Bild: Frank Molter

Wilm Feldt kann sehr deutlich werden. Dann schlägt der Diplom-Ingenieur, der als Projektmanager für eine Bank arbeitet, nicht mehr lässig das rechte Bein über das linke. Dann setzt er sich vielmehr kerzengerade hin und sagt mit fester Stimme: "Wir werden gewinnen, keine Frage." Feldt engagiert sich seit kurzem im Förderverein der Stadtgalerie Kiel. Seitdem hat er viel zu tun: Kiels Oberbürgermeister Torsten Albig hat sich zum Ziel gesetzt das Kunsthaus zum 31. Dezember zu schließen.

Erfahren haben Feldt und seine Mitstreiter davon aus der Zeitung. Dabei liegt die Stadtgalerie im Erdgeschoss des Neuen Rathauses, im Zentrum der Stadt. Der Bürgermeister hätte also nur die sehr breite Treppe hinuntergehen müssen, um dieses Vorhaben persönlich mitzuteilen. "Da kommt natürlich Freude auf", sagt Feldt.

Wo soll man anfangen, die Aktivitäten der Stadtgalerie zu loben? Was alles anführen an lokalen, überregionalen bis internationalen Kunstausstellungen? Vielleicht nur dies: Seit Jahren richtet das Haus die "Ars Baltica" aus, die wichtigste Kunstschau des Ostseeraums. Nebenbei wob sie ein dichtes Netz aus Künstlern und Künstlergruppen von Trondheim über Kopenhagen bis Vilnius und St. Petersburg und eben Kiel. Seit Jahren ist sie erfolgreich im Auftreiben von Sponsorengeldern und Kooperationspartnern.

Trotz schwieriger Bedingungen: Der Ausstellungsetat hat sich allein in den letzten Jahren halbiert. Der Etat für Ankäufe, einst 90.000 D-Mark, ist bei 7.000 Euro angekommen. Sollte das Haus schließen, würden 80.000 Euro pro Jahr gespart. Kiel möchte seinen Etat im nächsten Jahr um zehn Millionen Euro entlasten.

Geschlossen werden soll bei der Gelegenheit auch das Kulturforum, ein benachbarter, fensterloser Raum mit Stuhlreihen, einer Bühne plus Ton- und Lichtanlage. Betrieben wird es vom Kulturamt der Stadt. Hier tritt die Jazzsängerin Lyambiko auf; hier liest der Erfolgsautor Kristof Magnusson.

Auch die Vorsitzende des Fördervereins für das Kulturforums klagt über mangelnde Kommunikation: "Es redet ja niemand mit uns", sagt Christine Kreß-Lindenberg. "Erst recht nicht über Inhalte. Dabei sind wir seit zwei Jahren dabei, Vorschläge zu erarbeiten, wie es trotz knapper Gelder weitergehen könnte." Von drei Stellen hat die Stadt das Personal auf zuletzt eine und eine Viertel Stelle heruntergekürzt. Sinnigerweise wurde im Sommer eine neue Kraft eingestellt, die die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit der Stadtgalerie mit dem Kulturforum, damit von Bildender Kunst, Theater und Musik ausloten soll. Das wäre dann nicht mehr nötig.

Geschlossen werden muss dann auch der Ehmsen-Saal, der sich den Räumen der Stadtgalerie anschließt: eine Bibliothek nebst Archiv und Depot. Heinrich Ehmsen, geboren 1886 in Kiel, Mitstreiter des Blauen Reiters, ist einer der wenigen Maler, auf den die Stadt stolz sein kann. Auch Ehmsens Enkeltochter Gabriele Ehmsen, die in Wien lebt, aber gerade in Berlin weilt und die sich jüngst die fünf Ehmsen-Bilder angeschaut hat, die in der Nationalgalerie hängen, hat ebenso von der Schließung aus der Zeitung erfahren.

Finanziell geht es erstmal um ganze 4.400 Euro, die die Stadt der Stiftung bisher jährlich zukommen lässt. Sollte der Saal geschlossen werden, würde die Stiftung ebenso ihren Sitz verlieren. "Man kann sich gut vorstellen, wie das auf die Kieler Bürger wirkt, in deren Villen manche Werke hängen, die man vielleicht später der Stadt überantworten könnte", kommentiert dies Feldt. Dazu kommt, dass erst vor zwei Jahren jener Saal mit städtischen Geldern umgebaut wurde. Gekostet hat das 400.000 Euro.

Vorne, im Eingangsbereich, gibt es dann noch das Statt-Café, das selbst mit einer kleinen Jazzreihe aufwartet. Dessen Betreiber Frank Müller, der kraft seines Jobs rechnen kann, weiß, was auf ihn zukommt: "Das ist eine Art indirekte Kündigung, denn wir leben von den Gästen, die sich in der Stadtgalerie eine Ausstellung angeschaut haben oder die nach einem Konzert noch etwas trinken oder essen möchten."

Er zeigt auf das ausladende Foyer, auf die Skulpturen, die sich einem freundlich in den Weg stellen, auf den benachbarten Bilder-Ausleihdienst und auf den Aufgang zur Stadtbücherei, die im ersten Stock dann sehr einsam residieren würde: "Das Haus hier bildet für Kieler Verhältnisse ein einzigartiges Ensembles aus Kultureinrichtungen", sagt Müller. Verschwinden würde auch der seitlich angebrachte Kunstcontainer, in dem die Studenten der benachbarten Muthesius-Kunsthochschule sich ausprobieren können.

Und die Stadt? "Das ist ja ein sehr umfassendes Thema", haucht die junge Pressereferentin und verspricht, einen Gesprächspartner aufzutreiben. Der ist am nächsten Morgen am Telefon: Gert Meyer, Kulturdezernent und zugleich Kämmerer. Wortreich beschreibt er die bedrückende finanzielle Situation der Stadt, die einen zu solchen Schließungen zwinge. Er spricht von den Finanzen, die im Mittelpunkt ständen. Fachlich lobt er die Stadtgalerie ohne Wenn und Aber: "Das ist ein großer Schatz, der da verloren geht."

Kurzfristig ergebe sich nur ein geringer Einspareffekt, langfristig könnte aber Personal abgebaut werden, so dass andere Dienststellen in die Räume umziehen könnten. "Da beabsichtigt ist, durch Pensionierung frei werdende Stellen nicht wieder zu besetzen, hätte die Stadtgalerie in vier, fünf, sechs Jahren ohnehin kein Personal mehr und wäre dann auch so nicht mehr handlungsfähig", sagt er. Konkrete Pläne, was mit den leer stehenden Flächen ab Januar geschehen würde, gibt es nicht. Sie würden erstmal leer stehen, bezahlt, bewacht und beheizt.

Und nun? Oberbürgermeister Torsten Albig gilt als hemdsärmeliger Macher, der die Konfrontation sucht und genießt. "Neulich hat Albig bei einer Diskussion in der Kunsthalle den Bürgern, die sich seit Jahr und Tag engagieren, die fortlaufend Gelder auftreiben und selbst welche geben, vorgehalten, sie sollten aufhören zu jammern und lieber etwas tun. Das kam gar nicht gut", erzählt Wilm Feldt. Von der CDU, die schon zu ihrer Regierungszeit das Haus schließen wollte, ist wenig zu erwarten. Die Grünen haben mit der regierenden SPD einen Kooperationsvertrag geschlossen - und könnten wie gewohnt stillhalten.

So wird es an Feldt und den Seinen und auf Christine Kreß-Lindenberg und die Ihren ankommen, ob sie es vermögen, flankierend zu den Haushaltsberatungen ab Herbst genügend öffentlichen Druck aufzubauen. Feldt sagt: "Die Überschrift lautet: Rücknahme der Schließung. Die Unterzeile: Daseinsschutz für die nächsten fünf Jahre, damit wir vernünftig ein Zukunftsmodell entwickeln können." Er sagt: "Die Stadt erwartet professionelles Arbeiten - wir erwarten professionelle Rahmenbedingungen." Feldt sagt: "Zum Leben eines Bürgers gehört Kunst. Punkt!"

Als die Beamten und Verantwortlichen der Stadt Kiel in den Fünfzigern anfingen, Kunst zu sammeln und so einen ersten Grundstock für die spätere Stadtgalerie schufen, taten sie dies, um ihre Arbeits- und Büroräume zu dekorieren und zu schmücken. Dass ihnen selbst dieser Eigennutz abhanden gekommen ist, ist ein fatales Zeichen.

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