Protest in Russland: Bedrohliche Atmosphäre in Moskau
Abermals wird in Moskau protestiert und abermals greift die Polizei hart durch: Mehr als 300 Demonstranten werden festgenommen.
Zu sehen war, wie viele junge Teilnehmer in Polizeibusse gezerrt wurden. Demonstranten riefen „Schande“ und „Russland wird frei sein“. dpa-Reporter berichteten von einer bedrohlichen Atmosphäre im Zentrum der russischen Hauptstadt. Die Protestaktion war von den Behörden nicht genehmigt worden.
Die liberalen Kräfte der Opposition hatten zu einem rund sieben Kilometer langen Spaziergang aufgerufen – eine Woche nachdem die Polizei gewaltsam gegen friedliche Demonstranten vorgegangen war und rund 1.400 Menschen festgenommen hatte. Die russische Polizei kündigte erneut an, hart gegen Demonstranten vorzugehen.
Die Sicherheitskräfte sperrten das Stadtzentrum mit Metallgittern weiträumig ab. Über dem Puschkinplatz kreiste ein Hubschrauber. Dort waren auch viele Polizei- und Gefängnisbusse zu sehen, um Festgenommene abzutransportieren. Die Sicherheitskräfte waren wie schon in der Vorwoche mit einem großen Aufgebot vor Ort. Sie erinnerten über Lautsprecher daran, dass sich alle an die öffentliche Ordnung halten sollten. Die Aktion sei nicht erlaubt.
Viele Oppositionelle in Haft
Unter den Festgenommenen ist die Anti-Korruptions-Kämpferin Ljubow Sobol. Die Polizei nahm sie auf dem Weg zur Demonstration in Gewahrsam. Sobol gehört zum Team des inhaftierten Politikers Alexej Nawalny, der seit Ende Juli eine 30-tägige Arreststrafe absitzt. Sie sagte vor der Kundgebung: „Die Menschen wollen Veränderung.“
Die Behörden sprachen zunächst von rund 350 Teilnehmern. Beobachter gingen aber von einer deutlich höheren Zahl aus. Die Beamten bestätigten bis zum frühen Nachmittag nur 30 Festnahmen. Während der Kundgebung funktionierte das Internet zeitweise nicht. Vereinzelt wurden kleine Plakate gezeigt, auf denen die Entscheidung der Wahlkommission kritisiert wurde.
Die Demonstranten wollen erreichen, dass unabhängige Kandidaten und Oppositionelle zur Wahl des neuen Moskauer Stadtparlaments in fünf Wochen zugelassen werden. Zahlreiche Politiker wie der prominente Kremlkritiker Ilja Jaschin wurden von den Behörden nicht als Bewerber registriert. Viele prominente Oppositionspolitiker sitzen im Arrest.
Das Moskauer Bürgermeisteramt bewilligte am Freitagabend zwei Kundgebungen für je 100.000 Teilnehmer am 10. und 11. August. Die Proteste richten sich auch gegen Behördenwillkür in Russland.
Repression gegen Nawalny
Zeitgleich zur Demonstration teilte die russische Justiz mit, erneut gegen Kremlkritiker Nawalny vorzugehen. Nach Angaben des Ermittlungskomitees ist gegen seinen Fonds zur Korruptionsbekämpfung ein Strafverfahren wegen Geldwäsche eingeleitet worden. Dabei gehe es um eine Summe von eine Million Rubel (13.700 Euro). Den Ermittlern liegen nach eigenen Angaben entsprechende Unterlagen vor.
Der Fonds recherchiert zu Korruptionsfällen bekannter Politiker, unter anderem geht es dabei um Regierungschef Dmitri Medwedew. Die Ergebnisse fasst Nawalny auf seinem Blog zusammen. Er sitzt in Haft, weil er zu den Protesten für freie und faire Wahlen aufgerufen hatte. Es ist nicht das erste Mal, dass der Oppositionelle wegen solcher Aufrufe im Gefängnis ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen