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Protest gegen kleinen NaziaufmarschNachwuchsnazis üben marschieren

Rund 60 junge Neonazis ziehen am Sonntagnachmittag zum Alexanderplatz. Auf der Gegendemo mit rund 500 gut gelaunten Leuten ist deutlich mehr los.

Gegenprotest an der Kreuzung zwischen Rosa-Luxemburg-Straße und Torstraße gegen eine Demonstration aus dem rechten Spektrum Foto: Manuel Genolet/dpa

Berlin taz | „Ordner müssen volljährig sein“, kräht ein gerade mal volljähriger Nachwuchsnazi in eine Gruppe Nazis am U-Bahnhof Schillingstraße. Der Hinweis ist berechtigt, denn die 60 Nachwuchsnazis, die sich hier zunächst etwas verschüchtert am Sonntagnachmittag versammeln, sind fast ausschließlich Teenager. Gegen „Volksverräter“ seien sie hier, murmelt ein Jugendlicher auf die Frage eines Umstehenden. Sie zeigen Deutschlandfahnen, vereinzelt sind Insignien von „Der Dritte Weg“ und JN zu sehen. Sie sind umringt von einem Pulk von Fo­to­gra­f*in­nen – Gegenprotest gibt es hier jedoch nicht.

Auf der Gegendemonstration am Rosa-Luxemburg-Platz ist deutlich mehr los: Die rund 500 gut gelaunten Teil­neh­me­r*in­nen sind überwiegend ebenfalls jung, aber immerhin volljährig. „Alle zusammen gegen den Faschismus“, rufen sie und machen sich ebenfalls auf zum Alexanderplatz.

Dort lässt sich die bunte und gut gelaunte Menge bereitwillig von quergestellten Polizeiwannen stoppen. Schon kommt der Nazitrupp vorbei, dessen Demoroute auf gerade mal einen Kilometer bis zum Alexanderplatz drastisch verkürzt wurde.

„Wenn ich ‚Antifa‘ rufe, ruft ihr raus“, ordnet der Jungnazi am Megafon an, bevor die Übungsdemonstration an einem Bauzaun am S-Bahnhof Alexanderplatz endet. Hier treffen nach und nach protestierende Antifas ein, die ersten Gruppen werden von der Polizei rüde zu Boden geworfen, es gibt vereinzelt Festnahmen.

In den Vortagen waren Neonazis bereits aktiv

Dennoch machen die Jungnazis nicht den Eindruck, als seien sie von der mageren Teilnahme enttäuscht. Die kleine Nazidemo gehört zu einer Reihe von Events in jüngster Zeit, mit denen sich der rechte Nachwuchs organisiert und radikalisiert. Umso wichtiger, dass die Gegendemonstration, die von der Linkspartei angemeldet worden war, gut besucht war.

In den Vortagen waren Berliner Neonazis bereits aktiv. Am Donnerstagvormittag griffen acht Vermummte die linke Szenekneipe „Fischladen“ in der Rigaer Straße an. Laut einem Bericht des Tagesspiegels sollen sie mit Hämmern und Schlagstöcken bewaffnet gewesen sein und versucht haben, in die Kneipe einzudringen. Dies aber sei von Menschen vor Ort verhindert worden. Die Neonazis entrissen Transparente und flüchteten auf Rädern Richtung Warschauer Straße.

Mit einem Foto der Fahrradgruppe in einer Telegramgruppe der Partei „Der Dritte Weg“ enttarnten sich die Neonazis im Nachhinein selbst. Das Antifa-Portal „Aus dem Weg“ identifizierte mehrere der beteiligten Neonazis, die der Kleinstpartei oder ihrer „Nationalrevolutionären Jugend“ angehören sollen.

Ein versuchter Angriff soll sich zudem am Freitagabend beim Offenen Antifa-Treffen Hohenschönhausen ereignet haben. Laut Statement der Gruppe waren sechs Neonazis aufgetaucht, um das Treffen im Jugendhaus Am Berl, nahe dem S-Bahnhof Wartenberg, zu stören, wurden jedoch von An­ti­fa­schis­t:in­nen daran gehindert. Ein nachfolgender Polizeieinsatz soll sich gegen die Linken gerichtet haben. Einen richterlichen Beschluss zur Durchsuchung der Räumlichkeiten erhielt die Polizei demnach aber nicht.

Nach einer verschwörungsideolgischen Demonstration in Mitte am vergangenen Wochenende hatten junge Neonazis LKA-Beamte körperlich angegriffen. Einem Beamten sei dabei von hinten in den Rücken gesprungen worden, wie der Tagesspiegel berichtete. Unter den 47 Festgenommenen waren die Hälfte jugendlich, einige erst 13 und 14 Jahre alt.

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1 Kommentar

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  • Währenddessen meint ein Teil der Linken in Berlin, es sei sehr wichtig, einen Zaun um einen Park zu verhindern.