Protest gegen die Deutsche Wohnen: 23 Häuser sind eine Wand

Der Immobilienkonzern ist auf Shopping-Tour, die Mieter:innen wehren sich. Die Deutsche Wohnen macht nun Zugeständnisse.

Typische Altbau-Häuserfassaden im Stadteil Kreuzberg, hier in der Bergmannstraße

Eine Wand gegen Verdrängung? Altbauten in Kreuzberg Foto: imago

BERLIN taz | Nur noch dreieinhalb Wochen – bis zum 14. Juli – hat die neu gegründete Mieter-Initiative „23 Häuser sagen Nein“ Zeit, um gegen die Übernahme durch die Deutsche Wohnen zu trommeln. Vor kurzem hatten die Mieter:innen erfahren, dass der Dax-Konzern in Berlin trotz Mietendeckel auf Shopping-Tour ist und in einem Paket 400 Wohnungen für 90 Millionen Euro kaufen will – überwiegend Altbauten in Friedrichshain-Kreuzberg, Neukölln und Mitte (taz berichtete).

In Rekordzeit haben sich die Mieter:innen der 23 betroffenen Häuser gegen den Kauf durch den als Miethai berüchtigten Konzern organisiert. Nachdem sie sich vergangenes Wochenende erstmals trafen, hielten sie bereits am Dienstag eine Kundgebung vor dem Roten Rathaus ab. Und an diesem Samstag geht es weiter mit einer Zubringer-Demo vom Mariannenplatz um 12.30 Uhr zur größeren Mietenwahnsinn-Demo am Potsdamer Platz um 14 Uhr.

Viele der Häuser liegen in besonders von Verdrängung betroffenen Milieuschutzgebieten. Dort haben die Bezirke ein Vorkaufsrecht durch eine landeseigenes Wohnungsunternehmen, wenn sich Käufer:innen nicht in einer Abwendungsvereinbarung auf die Einhaltung sozialer Kriterien verpflichten. Darüber verhandeln derzeit die Bezirke und die Deutsche Wohnen. Die Mieter:innen fordern die Anwendung des Vorkaufsrechts, dafür notwendige Zuschüsse vom Land, Mietschutz für Kleingewerbe und den Erhalt der vielfältigen Kiezkultur.

Den Mieter:innen ist es wichtig, nicht nur ihre 23 Häuser zu retten, sondern auch das „Gesamtproblem“ in den Blick zu nehmen, wie Lorena Jonas, eine Sprecherin des Bündnisses, sagt: „Warum haben Häuser ohne Mileuschutz keine Chance, sich zu wehren? Warum ist ein Vorkaufsverfahren auf nur zwei Monate begrenzt? Wieso gibt es kein generelles Vorkaufsrecht, damit die Stadt sich die Häuser zurückholen kann?“

23 Häuser sagen nein Am Mariannenplatz am Samstag um 12 Uhr 30 demonstriert die Mieter-Initiative gegen den Kauf durch die Deutsche Wohnen und zieht in Richtung Potsdamer Platz.

Mietenwahnsinn-Demo Am Potsdamer Platz demonstriert das Mietenwahnsinn-Bündnis zum corona-bedingt ausgefallenen Housing Action Day gegen Verdrängung (Forderungen u.a.: „Vermieter an den Lasten der Krise beteiligen“).

Wohnopoly am Maybachufer Beim Festival 48 Stunden Neukölln beteiligt sich die Mieter-Ini mit einem Wohnopoly-Spiel, das die Hausgemeinschaft Maybachufer 6 entworfen hat, gespielt wird am Sonntag zwischen 14 und 18 Uhr.

Kundgebung vor Kisch & Ko Am Mittwoch um 18:30 Uhr mobilisieren Mieter-Inis zur von Verdrängung bedrohten Buchhandlung Kisch & Ko in der Oranienstraße 25.

Jonas lebt im Kreuzberger Wrangelkiez, für ihr Haus bestünde Milieuschutz. „Es ist allerdings ungerecht, dass es für andere Häuser keinen Schutz gibt – ebenso wenig für Gewerbemieter.“ Deswegen forderten die 23 Häuser Schutz für alle. Weil die Deutsche Wohnen für eine unfaire Mietpraxis bekannt sei, hätten die Mieter:innen „konkrete Angst, weil uns die Zeit davon läuft“, so Jonas. Mieter-Initiativen befürchten, dass der Konzern künftig wegen des Mietendeckels zur Erhöhung der Rendite auch auf Umwandlung in Eigentum setzen könnten und deswegen nun in leichter umwandelbaren Altbau investiert. Die Deutsche Wohnen dementiert dies.

Etwas Hoffnung für einen guten Ausgang der Verhandlungen dürfte die Ansage von Stadtrat Ephraim Gothe (SPD) aus Mitte machen: „Halbherzige Kompromisse wird es nicht geben“, sagt dieser, „die Deutsche Wohnen hat erkannt, dass die Bezirke hart verhandeln, soweit es um die Abwendungsvereinbarung geht.“ Corona-Schulden stünden einem Vorkauf jedenfalls nicht im Weg – „denn die Häuser sind eine nachhaltige Wertanlage“, so Gothe.

Florian Schmidt, grüner Bezirksstadtrat aus Friedrichshain-Kreuzberg, bestätigt, dass die Deutsche Wohnen mittlerweile eine Abwendungsvereinbarung vorgelegt hat. Die Bezirke prüften nun, ob diese ausreicht, und wollen dann verhandeln. Wenn die Deutschen Wohnen in der Vereinbarung ausreichend auf „verdrängungswirksame Maßnahmen verzichtet“, müsse man dem Kauf zustimmen. Um nicht die Rechtssicherheit des Vorkaufsrechts generell zu beschädigen, seien die Verhandlungsspielräume bei der Abwendung begrenzt, sagt Schmidt.

Gleichzeitig sei man auf der Suche nach landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften oder auch Genossenschaften, die für einen Vorkauf in Frage kämen. Bezüglich potentieller Zuschüsse vom Land ist die Finanzverwaltung von Matthias Kollatz (SPD) bisher noch nicht in Verhandlungen eingebunden. Einbezogen würde diese auch erst gegen Ende des Prozesses – etwa, wenn der Bezirk das Vorkaufsrecht ziehen will und es bei einer kaufwilligen Wohnungsbaugesellschaft noch Finanzierungslücken gäbe, wie Eva Henkel, Sprecherin der Finanzverwaltung, erklärt.

Die Deutsche Wohnen wiederum beteuerte, nur Gutes zu wollen: „Kein Mieter werde seine Wohnung durch Mieterhöhung verlieren“, versprach Sprecher Marco Rosteck am Freitag. Ähnliches gelte auch für Gewerbetreibende insbesondere in Kreuzberg: „Wir möchten, dass Geschäfte, die zum Teil seit 20 Jahren zu unserem Bestand gehören, auch in einem angespannten Wohnungsmarkt eine Zukunft haben.“

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