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Protest gegen die Berliner Sparliste„Wir sind das Herz Berlins“

Vorm Abgeordnetenhaus demonstriert ein breites Bündnis gegen die Kürzungswelle im Kulturbereich. Drinnen tagt passend zum Thema der Kulturausschuss.

Hat es sich bald ausposaunt? Schon im September protestierten Mu­sik­schul­leh­re­r:in­nen gegen Kürzungen Foto: Jens Kalaene/dpa

Berlin taz | Die Stimmung ist sichtlich aufgeladen, als sich Montagmittag rund 100 Menschen aus dem Kulturbereich vor dem Berliner Abgeordnetenhaus versammeln, um gegen die umfassenden Kürzungspläne im Kulturbereich zu protestieren. Aufgerufen hat ein breites Bündnis, unter anderem von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und den Freien Berliner Projekträumen. „Was wir mit Entsetzen feststellen, ist, dass besonders Projekte, die sich den Themen Diversität und Inklusion auseinandersetzen, betroffen sind“, sagt Anna Jäger, Pressevertreterin des Bündnisses, der taz.

„Wir sind das Herz Berlins“, heißt es gleich zu Beginn der Demonstration. Die Maßnahmen des Senats treffen auf Unverständnis, da die Betroffenen sich nicht erklären können, wie die gewaltige Menge an kulturellem Leben, die jetzt wegbricht, ersetzt werden soll. „Es geht nicht nur darum, dass Tausende Arbeitsplätze und Aufträge gefährdet sind“, sagt Leonid Mach von der Stiftung Kulturelle Weiterbildung und Kulturberatung, das komplett abgewickelt werden soll, „sondern auch darum, dass jahrzehntelang aufgebautes Wissen und Strukturen verloren gehen“

Während es vor dem Abgeordnetenhaus lautstarke Proteste gab, wurde drinnen diskutiert. Der Ausschuss für Kultur, Engagement und Demokratieförderung tagte. In der aktuellen Viertelstunde geht es unter anderem um die Fördergelder für das Jüdische Kulturschiff MS Goldberg und die Umstände bei der Eröffnung der Retrospektive von Nad Goldin in der Neuen Nationalgalerie – propalästinensische Sprechchöre skandierten, der Direktor der Neuen Nationalgalerie, Klaus Biesenbach, wurde niedergebrüllt (taz berichtete). „Wie kaputt die Diskurskultur in Berlin ist“, sagte Kultursenator Joe Chialo dazu. „Solchen radikalen Gruppierungen werden wir nicht weichen.“

Die Ausschusssitzung beschäftigte sich natürlich mit der seit einer Woche im Umlauf befindlichen Sparliste der schwarz-roten Koalition. Auffallend war dabei, dass Joe Chialo (CDU) und seine neben ihm sitzenden Staats­se­kre­tä­r:in­nen versuchten, sich um das Thema zu drücken und zum Teil Standardantworten wiederholten. Sie verwiesen darauf, dass es sich lediglich um eine „noch nicht beschlossene“ Sparliste handeln würde, sozusagen alles noch im Fluss wäre und es noch Gespräche geben würde. Die Sparliste stünde erst in der Sitzung des Abgeordnetenhauses am 19. Dezember zur Abstimmung.

Diese Ausflüchte lassen ihm Ausschussmitglieder wie Daniel Wesener (Grüne) oder Elke Breitenbach (Ex-Linke) oder Manuela Schmidt (Linke) nicht durchgehen und fragen gezielt nach. Auch als es um den Tagesordnungspunkt 3 und Barrierefreiheit in der Kultur und die inklusive Kulturlandschaft geht. Beides steht und fällt mit Fördermitteln. Das machten drei geladene Gäste in aller Ausführlichkeit klar. So stellte Intendant Jacob Höhne die Arbeit und vor allem die Probleme des Ramba-Zamba-Theaters vor. Das private Theater ist vom Land Berlin finanziell abhängig. „Wir arbeiten grundsätzlich defizitär“, sagt er. Die Arbeit mit weniger Fördergeldern wäre „kaum zu bewältigen“.

Nach einer breiten Diskussion zum Thema Inklusion folgt ein Schlagabtausch zwischen Kultursenator auf der einen und der Opposition auf der anderen Seite. Daniel Wesener warf Joe Chialo vor, dass die schwarz-rote Koalition nach dem Prinzip „Rasenmäher, ja schlimmer noch, nach dem Prinzip Heuschredder“ vorgehen würde. „Das geht an die Substanz“, sagte er und warb zugleich darum, gemeinsam „das Schlimmste“ zu verhindern.

Der Kultursenator indes verteidigte die Einsparungen, die nötig seien, auch weil die Vorgängerregierung zu freigiebig mit Geld umgegangen sei. „Ich steige in den Chor der Entrüsteten nicht ein“, sagte Chialo und nannte die Einsparungen eine „große Herausforderung“ und „schmerzhaft“ und nannte dafür als ein Beispiel den Eintritt freien Museumssonntag: „Den können wir uns nicht mehr leisten“. Die Aussprache zu diesem Thema hielt bei Redaktionsschluss noch an.

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